Im Lichtermeer der Sterne ist das Objekt 2019 LD2 beinahe untergegangen. Nachdem diese durch Bildbearbeitung subtrahiert worden sind, erweist sich das Objekt als winziger Komet mit einem schwach ausgebildeten Schweifchen.
Foto: ATLAS/Ari Heinze/IfA

Beharrlich weigert sich die Welt, sich in all die Kategorien zu fügen, die wir eigentlich nur deshalb aufgestellt haben, um sie besser erfassen zu können. Zum Beispiel der vermeintlich klare Unterschied zwischen Asteroid und Komet: Das eine ein inaktiver Gesteinsbrocken, der kaum auffällt – zumindest solange er auf einer für uns ungefährlichen Bahn bleibt. Und das andere ein höchst aktives Objekt, das ständig Material ausstößt und einen weithin sichtbaren Schweif produziert – ein Himmelsspektakel.

Ganz so trennscharf läuft es im All aber nicht ab. Kometen werden gerne als "schmutzige Schneebälle" bezeichnet, weil sie aus einer Mischung von Eis und Gestein bestehen. Das heißt aber nicht, dass Asteroiden kein Eis enthalten können. Solange es unter ihrer Oberfläche gebunden bleibt, spielt das keine Rolle. Wird es jedoch freigelegt, kann der Asteroid in einen aktiven Zustand übergehen und sich damit in einen Kometen verwandeln.

Die Entdeckung

Genau das ist offenbar einem Objekt widerfahren, das erst vor einem Jahr entdeckt wurde. 2019 LD2 wurde Anfang Juni 2019 von ATLAS aufgespürt, dem Asteroid Terrestrial-impact Last Alert System der NASA, das Ausschau nach Asteroiden auf potenziell gefährlichen Bahnen hält, dabei aber auch jede Menge andere Objekte findet. Wie eben 2019 LD2, das nach seiner ersten Sichtung als Asteroid eingestuft wurde.

Folgebeobachtungen mit dem Las-Cumbres-Observatorium enthüllten, dass das Objekt einen schwach ausgebildeten Schweif aus Gas und Staub und damit eindeutig Kometencharakter hat. Im Herbst verschwand es auf der anderen Seite der Sonne aus unserem Sichtfeld, um erst im April wieder aufzutauchen – immer noch mit Schweif. Der Komet scheint also beinahe ein Jahr lang durchgehend aktiv gewesen zu sein.

Stichwort Trojaner

Das Besondere an 2019 LD2 ist, dass es sich um einen Trojaner handelt, was traditionell als Untergruppe von Asteroiden gilt. Trojaner ziehen im Verbund mit Planeten um die Sonne. An den sogenannten Lagrange-Punkten vor und hinter dem Planeten herrscht ein Gleichgewichtszustand, der diese kleinen Himmelskörper vor Ort bindet und sie in einem Abstand von etwa 60 Grad dem Planeten voraus- bzw. hinterherziehen lässt. Die Erde hat zumindest einen Trojaner, einen etwa 380 Meter großen Asteroiden. Jupiter, bei dem alles großzügiger dimensioniert ist, hat hunderttausende. Und 2019 LD2 gehört einem der beiden Riesenschwärme nahe Jupiter an.

Astronomen der Universitäten Hawaii und Belfast haben 2019 LD2 auf seiner Bahn studiert und betonen seinen Sonderstatus. Im Allgemeinen wird angenommen, dass Jupiter seine Trojaner schon vor sehr langer Zeit eingefangen hat – Milliarden von Jahren. Oberflächennahes Eis, das entweichen und einen Schweif bilden könnte, müsste in diesem Zeitraum eigentlich längst verschwunden sein. Warum strömt es hier also gerade erst ins All?

Kollisionsgefahr

Eine Möglichkeit wäre, dass 2019 LD2 ein Neuzugang im Jupitersystem ist: Er wäre demnach zunächst auf einer sonnenferneren Bahn dahingezogen, auf der Eis an der Oberfläche stabil bleiben konnte, um dann von der Anziehungskraft Jupiters eingefangen zu werden. Die alternative Erklärung lautet, dass das Eis unter der Oberfläche ruhte, bis diese durch einen unbekannten Prozess aufgebrochen wurde. Es hätte ein Erdrutsch sein können – oder auch der Zusammenstoß mit einem anderen Himmelskörper.

Dass Asteroiden gar nicht so selten Opfer von Kollisionen werden, hat vor kurzem erst eine Studie über die zwei Asteroiden (101955) Bennu und (162173) Ryugu gezeigt, die beide Ziel von Raumsondenmissionen waren bzw. noch sind. Beide Asteroiden weisen Krater auf, die von Einschlägen künden. Doch mehr noch: Es gibt Hinweise darauf, dass Bennu und Ryugu ihrerseits das Resultat einer noch größeren Kollision sind. Sie dürften sich aus dem Schutt zusammengeklumpt haben, der beim Zusammenstoß zweier anderer Asteroiden ins All geschleudert wurde. (jdo, 14.6.2020)