Künstliche Intelligenz (KI) wird oft als das Öl der Zukunft bezeichnet. In der abgegriffenen Metapher steckt tatsächlich ein Funken Wahrheit. Ähnlich wie bisher bei Ölvorkommen gilt nun: Wer die KI erst einmal erschlossen und nutzbar gemacht hat, für den fließt auch das Geld.

KI-Modelle stecken nicht nur hinter Social-Media-Algorithmen, sie suchen auch die richtigen Personen für Bewerbungsgespräche aus, in Zukunft könnten sie selbstfahrende Autos steuern. Bevor Machine-Learning-Modelle aber wirklich intelligent werden, muss man sie mit vielen Daten füttern und trainieren. Es sind teilweise Millionen an Zyklen notwendig, bis ein Modell brauchbar wird.

So viel CO2 wie zehn Autos

Das kostet viel Rechenpower – und damit auch viel Strom, der nicht immer aus erneuerbaren Quellen kommt. Um ein einziges Modell zu berechnen, könnten bis zu 283 Tonnen CO2 emittiert werden, haben Wissenschafter der Universität von Massachusetts errechnet. Das ist mehr als zehn amerikanische Autos während ihrer gesamten Lebenszeit in die Luft blasen. Für den Versuch ließen die Forscher bekannte KI-Modelle auf einem einzelnen Grafikprozessor laufen und multiplizierten den Energieverbrauch mit der Gesamtzeit, die für ein vollständiges Anlernen notwendig wäre.

Unternehmen und Forscher greifen für rechenintensive Aufgaben oft auf Cloud-Computing-Anbieter zurück.

Ausgegangen sind die Forscher aber vom Energiemix, der in den USA üblich ist. Dort wird noch immer der Großteil des Stroms aus Kohle gewonnen. In Österreich ist der Energiemix grüner: Hierzulande stammen mehr als 80 Prozent aus erneuerbaren Energien. Doch nicht immer werden KI-Modelle dort trainiert, wo sie erforscht werden. Unternehmen und Forscher greifen für rechenintensive Aufgaben oft auf Cloud-Computing-Anbieter zurück. Wenig überraschend dominieren die IT-Riesen Amazon, Google und Microsoft das Geschäft mit der Rechenleistung in der Wolke.

Zwar haben die Unternehmen angekündigt, verstärkt auf erneuerbare Energien zu setzen, vor allem Marktführer Amazon lässt sich aber ungern in die Karten schauen, heißt es in einem Bericht von Greenpeace aus dem Jahr 2017. Mindestens die Hälfte von Amazons Strom soll aus Kohle und Gas kommen. Doch auch die meisten Konkurrenten sind von einer Green Cloud weit entfernt.

In Northern Virginia, dem Gebiet mit der höchsten Dichte an Rechenzentren weltweit, liegt der Anteil an erneuerbaren Energien jedenfalls im einstelligen Bereich. Inzwischen ist das Internet für rund zehn Prozent des globalen Energieverbrauchs verantwortlich. Weil KI in immer mehr Bereichen Einzug hält, wird ihr Anteil am Stromverbrauch steigen.

Licht in Sicht

In Zukunft sollen Quantencomputer das Energieproblem von KI lösen. Anstatt Nullen und Einsen können diese Zustände darstellen, die mit klassischer Physik nicht erklärbar sind. Von den Quantencomputern, die derzeit noch am Anfang stehen, erhofft man sich gewaltige Leistungssprünge. Die gleiche Aufgabe wäre dann mit viel weniger Rechenpower lösbar, was letztlich weniger Energieverbrauch und Emissionen bedeutet. Eine andere Hoffnung sind optische Prozessoren, die statt mit Transistoren mit Lichtsignalen arbeiten und weniger Abwärme verursachen.

Ein großer Teil des Strombedarfs geht ohnehin in die Kühlung der Prozessoren, die abgeleitete Wärme wird oft ungenutzt nach draußen geblasen. Bei Google erfand ausgerechnet eine KI ein System, mit dem sich Rechenzentren energiesparender kühlen lassen. Mithilfe von Daten tausender Sensoren prognostiziert ein Algorithmus die Wärmeentwicklung an verschiedenen Stellen der Serverfarm und stimmt die Kühlleistung darauf ab.

Und Amazon nutzt die verbleibende Wärme einfach, um seinen neuen Campus zu heizen. (red, 10.6.2020)