Minneapolis/Los Angeles – Der Generalstaatsanwalt des US-Bundesstaats Minnesota erhebt im Fall des getöteten Afroamerikaners George Floyd gegen alle vier beteiligten und inzwischen entlassenen Polizisten Anklage. Hauptangeklagter ist der weiße Ex-Beamte Derek Chauvin, dem nunmehr Mord zweiten Grades zur Last gelegt werde, wie Senatorin Amy Klobuchar mitteilte. Ihm drohen damit bis zu 40 Jahre Haft.

Die drei anderen Beteiligten würden wegen Beihilfe und Anstiftung zum Mord angeklagt, berichtete die Zeitung "Star Tribune" am Mittwoch unter Berufung auf Insider. Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft und der Anwälte der Ex-Polizisten waren zunächst nicht zu erhalten.

Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt in Los Angeles am Mittwoch.
Foto: J. BROWN / AFP

New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio hat am Donnerstag eine Reform der Polizeiarbeit in der Millionenmetropole versprochen. "Unsere Verwaltung wird die Vorgaben dazu, wie die NYPD Zwang ausübt, überprüfen und wenn nötig reformieren, und wir werden die Menschen dieser Stadt dabei einbinden", teilte De Blasio in einer Aussendung mit. Sein deklariertes Ziel: "Wir werden weiter reformieren, wir werden weiter Brücken zwischen der Polizei und der Gemeinschaft bauen, wir werden uns weiter zu einer sichereren und gerechteren Stadt entwickeln."

Anklagen wegen Plünderungen in Los Angeles

Im Raum Los Angeles wurden unterdessen mehr als sechzig Personen wegen Plünderungen, Raub oder Körperverletzung angeklagt, teilte die Staatsanwaltschaft am Mittwoch mit. Sie unterstütze friedliche Demonstrationen, müsse aber gegen Leute vorgehen, die plündern und zerstören, sagte Bezirksstaatsanwältin Jackie Lacey. Es drohen ihnen bis zu dreijährige Haftstrafen.

Ausgangssperre und friedliche Proteste

Am Mittwochabend trat im Bezirk Los Angeles die vierte nächtliche Ausgangssperre in Folge in Kraft. Nach schweren Ausschreitungen und Plünderungen in vielen Geschäftsvierteln am Wochenende waren die Proteste am Dienstag und Mittwoch weitgehend friedlich verlaufen.

In Los Angeles kam es während der Demos gegen Rassismus zu schweren Ausschreitungen und Plünderungen. Nun kommt es deswegen zu ersten Anklagen.
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Rechtsextremisten in Las Vegas verhaftet

In Las Vegas wurden drei mutmaßliche Rechtsextremisten unter dem Verdacht festgenommen, sich unter die Demonstrationen gegen Rassismus gemischt und zu Gewalt angestachelt zu haben. Die drei hätten die "legitime Wut" der friedlichen Demonstranten für ihre eigenen "extremistischen Bestrebungen" ausnutzen wollen, erklärte der für Nevada zuständige Bundesanwalt Nicholas Trutanich.

Die Festgenommenen gehören den Angaben zufolge der Boogaloo-Bewegung an. Mit Boogaloo bezeichnen Rechtsextremisten einen von ihnen angestrebten Bürgerkrieg. Die drei Männer waren nach Angaben der Ermittler im Besitz eines Molotowcocktails. Sie wohnen demnach in Las Vegas und wurden am Wochenende bei einem vom FBI geleiteten Antiterroreinsatz festgenommen.

Ex-US-Präsidenten verurteilen Rassismus

Die vier noch lebenden früheren US-Präsidenten haben systematischen Rassismus in den USA verurteilt. Jimmy Carter, Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama kritisierten in Stellungnahmen die anhaltende Ungleichheit und die Benachteiligung Schwarzer in den USA.

Bei allen klang auch – mehr oder weniger direkt – Kritik an der Regierung von Präsident Donald Trump mit. Trump hat Floyds Tod mehrfach scharf verurteilt. Ihm wird jedoch vorgeworfen, sich nicht klar gegen Rassismus zu positionieren und nicht genug Verständnis zu zeigen für den Zorn über anhaltende Diskriminierung und Ungerechtigkeit im Land.

"Schockierendes Versagen"

Carter erklärte, es müsse mehr getan werden, um dem systematischen Rassismus zu begegnen. "Wir brauchen eine Regierung, die so gut ist wie ihre Bevölkerung, und wir sind besser als das", schrieb der Demokrat. Es sei Zeit, sich gegen Diskriminierung in Polizei und Justiz sowie die anhaltende "unmoralische" wirtschaftliche Ungleichheit aufzulehnen

Bush hatte am Dienstag erklärt, es sei ein "schockierendes Versagen", dass viele Afroamerikaner in ihrem Heimatland immer noch Belästigungen und Bedrohungen ausgesetzt seien. "Wie beenden wir systematischen Rassismus in unserer Gesellschaft?", fragte er. Schwarze erlebten die wiederholte Verletzung ihrer Rechte "ohne eine dringliche und adäquate Antwort von Amerikas Institutionen".

"Zeichen der Hoffnung"

Obama – der bisher einzige afroamerikanische Präsident – hat sich seit Floyds Tod bereits mehrfach geäußert. Am Mittwoch erklärte er, die von breiten Gesellschaftsschichten unterstützten Proteste seien ein Zeichen der Hoffnung, dass es im Land den Willen zur Veränderung gebe. Am Montag hatte er erklärt, die Proteste seien Ausdruck einer echten und legitimen Enttäuschung über ein "jahrzehntelanges Versagen" bei der Reform von Polizei und Strafjustiz.

Der ehemalige US-Präsident Barack Obama sieht einen Willen zur Veränderung in den USA.
C-SPAN

Clinton hatte am Samstag erklärt, Floyds Tod sei der "jüngste Fall in einer langen Reihe von Tragödien und Ungerechtigkeiten sowie eine schmerzhafte Erinnerung daran, dass die Hautfarbe einer Person immer noch festlegt, wie diese in fast jeder Lebenslage in Amerika behandelt wird". Alle Amerikaner müssten sich gegen Rassismus auflehnen, vor allem aber Politiker müssten Fehler einräumen und Verantwortung übernehmen, forderte er.

Ein zurückgelassenes Schild eines Kundgebungsteilnehmers vor zerstörten Polizeiautos.
Foto: EPA/Garcia

Ex-Verteidigungsminister Mattis greift Trump scharf an

Der frühere Verteidigungsminister James Mattis hat sich hinter die friedlichen Proteste im Land gestellt und Trump als Spalter kritisiert. Trump sei der erste Präsident, den er erlebe, der sich nicht darum bemühe, das Land zu einen, sondern seit drei Jahren versuche, das Land zu spalten, schrieb Mattis im Magazin "The Atlantic".

"Wir sind Zeugen der Konsequenzen von drei Jahren ohne reife Führung", schrieb der pensionierte General. Die Ereignisse dieser Woche hätten ihn "wütend und entsetzt" zurückgelassen, erklärte der 69-Jährige. Mattis war wegen Meinungsverschiedenheiten mit Trump Anfang 2019 nach zwei Jahren als dessen Verteidigungsminister zurückgetreten, hatte den Präsidenten seither aber nicht öffentlich kritisiert.

George Floyd war mit Coronavirus infiziert

George Floyd war einer offiziellen Autopsie zufolge mit dem Coronavirus infiziert. Die Infektion stand jedoch nicht in Zusammenhang mit seinem Tod, zumal sie seit April bekannt war und er "höchstwahrscheinlich" keine Symptome mehr hatte, wie es in dem am Mittwochabend veröffentlichten Autopsiebericht hieß.

Floyds Familie habe der Veröffentlichung zugestimmt, hieß es. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits unter Berufung auf die Autopsie erklärt, dass Floyd am Montag vergangener Woche wegen des brutalen Polizeieinsatzes gestorben war. Ein Polizist in der Stadt Minneapolis im Bundesstaat Minnesota hatte sein Knie fast neun Minuten lang in den Hals des am Boden liegenden Floyds gedrückt. Der 46-Jährige war festgenommen worden, weil er verdächtigt wurde, mit einem gefälschten 20-Dollar-Schein bezahlt zu haben.

In Minneapolis findet am Donnerstag (13.00 Uhr Ortszeit; 19.00 Uhr MESZ) eine Trauerfeier für Floyd statt, bevor er am Dienstag in der texanischen Stadt Houston beigesetzt werden soll. (APA, 4.6.2020)