Linz, Oberösterreich, ein Montagabend im Oktober 2019. Es glitzert und funkelt im Musiktheater. "The Golden Ladies Night" ist das Motto der Players Party des WTA-Tennisturniers. Die meisten Spielerinnen haben die Pailletten aus dem Schrank geholt. Eigentlich hätte die Party im Casino stattfinden sollen, es wurde umgeplant. Der Grund sitzt ein wenig abseits. Für Cori, genannt Coco, Gauff ist es die erste Players Party ihrer Karriere. Sie ist zu diesem Zeitpunk 15 Jahre alt, zu jung für ein Casino.

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Großes Talent, geringes Alter: Coco Gauff kann nicht nur Aufschlag, Rückhand, Vorhand. Derzeit ist sie 52. der Weltrangliste.
Foto: REUTERS/ SU

Der Tisch, an dem die US-Amerikanerin mit ihrem Vater und Betreuer Corey Platz genommen hat, ist nicht mittendrin im Trubel: wenig Gebrabbel, wenig Smalltalk, die Musik ist mehr eine Ahnung. Die Gauffs bleiben unter sich. Coco trägt ein schlichtes schwarzes Shirt unter einer Jeansjacke. Kein Glitzer, kein Gold, kein Glamour. Für das Gruppenfoto mit den anderen Spielerinnen hat sie eine gelbe Federboa um den Hals, hält lächelnd einen goldenen Luftballon. Sie wirkt freundlich, schüchtern, aber nicht eingeschüchtert oder ängstlich – eben wie ein Teeanger auf einer Erwachsenenparty auf einem fremden Kontinent, in einer besonders fremden Sprache.

Gauff sollte schon während der Linzer Turnierwoche sportlich größer werden, als es ihren Kontrahentinnen lieb war. Eigentlich scheiterte sie in der letzten Qualirunde, zog aber als Lucky Loser in den Hauptbewerb ein. Sie rauschte bis ins Finale durch und gewann ihr erstes Turnier auf WTA-Ebene. Gauff bestätigte spätestens damit die Vorschusslorbeeren, die Talentbekundungen, die sie mit starken Auftritten in Wimbledon und bei den US Open eingesammelt hatte. Bei den Australian Open 2020 zog sie ins Achtelfinale ein. "A star is born" war der Tenor.

Delray Beach, Juni 2020

Geboren wurde Gauff 2004 in Delray Beach, Florida. Und just in der 70.000-Einwohner-Stadt am Atlantik bewies die mittlerweile 16-Jährige am Mittwoch, dass sie aktuell zu den lautesten Stimmen im Welttennis gehört. Bei einer Black-Lives-Matter-Kundgebung hielt sie eine emotionale, kämpferische, aber auch berührende Rede: "Mein Name ist Coco, und ich habe gerade mit meiner Großmutter gesprochen. Es ist traurig, dass ich hier stehe und für die gleichen Dinge protestiere, für die sie schon vor 50 Jahren protestiert hat", begann sie.

"Ich bin noch zu jung, um wählen zu dürfen, aber es liegt in eurer Hand zu wählen: für meine Zukunft, für die Zukunft meiner Brüder, für eure Zukunft." Man könnte leicht vergessen, dass da eine 16-jährige Tennisspielerin steht. Ein Teenager, der eigentlich an seiner Rückhand arbeiten könnte oder im Park mit ein paar Freunden abhängen oder vor der Playstation sitzen. Aber Gauff steht vor der City Hall in Delray Beach und zitiert Martin Luther King. Unaufgeregt, ganz in Schwarz gekleidet. Zwischendurch wird die Stimme kämpferischer, dann wieder emotionaler.

Ich habe die ganze Woche mit schwierigen Gesprächen verbracht, ich habe sie damit verbracht, meinen nichtschwarzen Freunden zu vermitteln, wie sie unserer Bewegung helfen können. Wir müssen handeln. Ich habe viele Dinge gehört. Unter anderem: 'Tja, das ist nicht mein Problem.' Wenn du schwarze Musik hörst, wenn du schwarze Kultur magst, wenn du schwarze Freunde hast, dann ist das auch dein Kampf. Wie passt das zusammen, wenn du sagst: 'Lil Uzi Vert ist mein Lieblingsinterpret, aber es ist mir egal, was mit George Floyd passiert ist'?

Ich fordere Veränderung. Jetzt. Es ist traurig, dass es den Tod eines weiteren schwarzen Mannes braucht, dass all das hier passiert. Man muss verstehen, dass das seit Jahren passiert. Es geht hier nicht nur um George Floyd. Es geht um Trayvon Martin, es geht um Eric Garner, es geht um Breonna Taylor. Ich war acht Jahre alt, als Trayvon Martin umgebracht wurde, also wieso bin ich mit 16 noch immer hier und fordere eine Veränderung? Es bricht mir das Herz.

Gauff schließt mit einem Versprechen: "Ich werde meine Plattform nutzen, um weiter wichtige Informationen zu verbreiten, für Aufmerksamkeit zu sorgen und Rassismus zu bekämpfen." Damit reiht sie sich in eine Riege an Tennisstars ein, die zwar in der Anzahl überschaubar, aber ebenso schwierig überhörbar ist. Am Dienstag dominierte ein schwarzer Kasten die Social-Media-Landschaft – ein Zeichen der Solidarität mit der Black-Lives-Matter-Bewegung, ein Zeichen gegen Rassismus unter dem Hashtag "#blackouttuesday".

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Auch nahezu alle Tennisstars, darunter Roger Federer, Novak Djokovic, Rafael Nadal und auch Dominic Thiem, posteten die schwarze Box. Es wirkte zuweilen ein bisschen wie ein schneller Trendzug der Meinungsäußerung, für den es die Tickets billig und aufwandslos gab. Endstation "Beruhigtes Gewissen". Auf Federers schwarzes Quadrat, das mit einem schlichten roten Herzen versehen war, reagierte Gauff mit einem Post, in dem E-Mail-Adressen und weiterführenden Links zur Unterstützung und Erklärung der Bewegung angeführt waren. Kommentarlos, unaufgeregt, fast schon unheimlich souverän für eine 16-Jährige.

Die ebenfalls in der Bewegung laut engagierte Naomi Osaka, globaler Tennis-Superstar, ging einen Schritt weiter: "Ich bin zerrissen dazwischen, ob ich die Menschen dafür kritisieren soll, dass sie die ganze Woche nur eine schwarze Box posten, oder zu akzeptieren, dass sie auch gar nichts hätten posten können", schrieb sie auf Twitter.

Aktuell ruht das Welttennis. Die Welt hat derzeit vielleicht auch brisantere Themen als Spiel, Satz und Sieg. Ob und inwieweit sich die Großen des Sports diesen Themen widmen, bleibt ihnen selbst überlassen. Und auch wenn Coco Gauff entgegen den Erwartungen keine großen Erfolge auf dem Platz mehr feiern kann, bleibt ihre Größe jetzt schon unübersehbar. (Andreas Hagenauer, 4.6.2020)