Wie rasch sich die Zeiten ändern. Vor wenigen Monaten waren Angela Merkel und ihre große Koalition bei den meisten politischen Kommentatoren schon abgeschrieben. Eine Kanzlerin, die ihre besten Zeiten hinter sich hat, so der Tenor der Kritik. Von der großen Koalition war als langweiliges Konstrukt ohne Ecken und Kanten die Rede, das eine Modernisierung Deutschlands nicht zustande bringt.

Der Ton ist heute ganz ein anderer. Die Koalition in Berlin hat die Corona-Krise bisher relativ souverän gemeistert und sitzt in den Umfragen wieder fest im Sattel. Das liegt auch daran, dass CDU/CSU und SPD bereits mehrmals ambitionierte Pläne vorgelegt haben, etwa für eine gemeinsame europäische Investitionspolitik. Der jüngste Vorstoß in dieser Reihe erfolgte am Donnerstag mit der Einigung auf ein 130-Milliarden-Konjunkturpaket. Kernelement dabei ist die Senkung der Umsatzsteuer von 19 auf 16 Prozent.

Angela Merkel präsentiert ein Konjunkturpaket im Umfang von 130 Milliarden Euro.
Foto: EPA/MIKA SCHMIDT

Das ist klassischer Keynesianismus: In der Krise, so hatte der englische Ökonom John Maynard Keynes in den 30er-Jahren gezeigt, wenn die private Nachfrage einbricht, ist es für die wirtschaftliche Stabilisierung essenziell, dass der Staat die Nachfrage ankurbelt. Das Konjunkturpaket entspricht vier Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung und ist damit recht groß. Die Übung könnte also aus gelingen.

Die Ankündigung ist auch aus österreichischer Perspektive interessant. Zunächst deshalb, weil Deutschland hier das wichtige Signal setzt, dass es an der Zeit ist, bei der Antikrisenpolitik einen Schritt weiterzugehen. In ersten Wochen hat die Regierung in Österreich so wie andere Regierungen versucht, die Corona-bedingten Verluste der Unternehmer und Arbeitnehmer abzufangen. Neben der Kurzarbeit wurde ein Härtefallfonds aufgesetzt, es gibt Zuschüsse und staatliche Garantien für Kredite.

Spielregeln

Vieles spricht dafür, dass diese Maßnahmen besser funktionieren, als so manche lautstarke Kritik vermuten lässt. Die Zahl der privaten Insolvenzen ist derzeit sehr niedrig, auch wenn sich Unternehmer beschweren. Die Kurzarbeit hat viel abgefangen. Doch die vielen Erzählungen über zu langsam eingetroffene Hilfen haben eben auch damit zu tun, dass Anträge für finanzielle Unterstützung notgedrungen mit Verzögerungen einhergehen müssen: Der Staat kann Geld nicht blind verteilen, muss Spielregeln schaffen. Das bedeutet immer auch Bürokratie. Zudem müssen schon fast alle unzufrieden sein, weil nicht jeder verlorene Euro mit Steuergeld ersetzt werden kann.

Ein Konjunkturprogramm aus Investitionen und Steuersenkungen umgeht dieses Problem. Damit erhalten Unternehmer Aufträge, und potenzielle Restaurantbesucher, Autokäufer und Urlauber werden angestupst zu konsumieren. Besonders wirkungsvoll ist eine Senkung der Umsatzsteuer. Konsumsteuern sind in Österreich eine der umfangreichsten Abgaben, 30 Milliarden nimmt der Staat allein via Umsatzsteuer ein. Dennoch wird nie über deren Senkung diskutiert. Im Fokus steht immer eine Senkung der Einkommenssteuer, so auch aktuell bei Türkis-Grün. Dabei erreicht man damit jeden dritten Arbeitnehmer nicht, weil diese Menschen so wenig verdienen, dass sie keine Einkommenssteuer zahlen.

Eine breite und befristete Umsatzsteuersenkung gehört daher auch in Österreich als Impulsgeber für die Wirtschaft diskutiert. Ebenso wie ein Investitionspaket mit Öko-Einschlag. Willkommen im Kapitel II der Krise. (András Szigetvari, 4.6.2020)