Die Deutschen sollen wieder in die Innenstädte strömen und dort einkaufen gehen. Um den Konsum anzukurbeln, wird die Mehrwertsteuer gesenkt.

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Ein großes Paket verlangt offensichtlich nach markigen Worten. "Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen" – so beschreibt der deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD) den Sinn jenes Konjunkturprogramms, das die deutsche Regierung in den vergangenen Tagen ausverhandelt hat und das nun auf dem Tisch liegt.

Es ist gewaltig. 130 Milliarden Euro wird Berlin in den Jahren 2020 und 2021 zur Verfügung stellen, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise abzufedern. Zum Vergleich: Der Haushalt hatte zuletzt ein Volumen von 356 Milliarden Euro.

"Wir versuchen, aus dieser extrem schwierigen Situation gemeinsam stark herauszukommen, und dafür haben wir heute, glaube ich, einen guten Grundstein gelegt", betont Merkel. Tagelang war schon spekuliert worden, wie das Paket aussehen könnte. Und dann gelang es der Koalition doch noch, die Deutschen zu überraschen. Sie senkt ab 1. Juli – befristet bis zum 31. Dezember – die Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent. Der ermäßigte Satz geht von sieben auf fünf Prozent hinunter. Diese Maßnahme hatte zuvor eigentlich niemand erwartet.

Der Staat lässt sich dies 20 Milliarden Euro kosten und verknüpft damit die Hoffnung, den Konsum anzukurbeln. "Wir hoffen, dass ganz viele sich angeregt fühlen, davon Gebrauch zu machen", ermuntert Scholz. Gleichzeitig mahnt er, die Senkung an die Kunden weiterzugeben: "Wir erwarten dringend, dass die Unternehmen das nicht für erhebliche Preissteigerungen nutzen. Sondern es geht darum, dass die Verbraucher den Vorteil haben."

Wichtige Einnahmequelle

Die Mehrwertsteuer ist nach der Lohnsteuer eine der wichtigsten Einnahmequellen Deutschlands, der Anteil am gesamten Steueraufkommen liegt bei rund 30 Prozent. Sie betrifft alle Bevölkerungsschichten, Reiche wie finanziell Schwächere müssen sie zahlen. Es geht der Regierung also um eine Erleichterung für die Deutschen auf breiter Basis.

Zuletzt erhöht worden – von 16 auf 19 Prozent – war die Steuer am 1. Jänner 2007, damals regierte Kanzlerin Merkel ebenfalls mit einer großen Koalition. Ziel war, den desolaten Haushalt zu sanieren und den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung zu senken. Zuvor hatte die Union im Bundestagswahlkampf eine Erhöhung um zwei Prozent gefordert, die SPD dies vehement abgelehnt. Die Senkung nun ist die erste seit 1968. Ab diesem Jahr war die Steuer immer nur gestiegen.

Beim Verband der Automobilindustrie (VDA) heißt es, die Hersteller würden den Preisvorteil aus der Mehrwertsteuersenkung voll an ihre Kunden weitergeben. Die Autobranche hofft, von einer weiteren Förderung zu profitieren: Zwar kommt die von ihr ersehnte Abwrackprämie nicht, auch gibt es für den Neukauf von Diesel- und Benzinautos keine Förderung. Aber es gibt höhere Zuschüsse beim Kauf von Elektroautos. Diese steigen von 3.000 auf bis zu 6.000 Euro.

SPD verhindert Autoprämie

Diesel und Benziner ebenfalls zu fördern war ein Begehr der Ministerpräsidenten der Autoländer Bayern (Markus Söder), Niedersachsen (Stephan Weil) und Baden-Württemberg (Winfried Kretschmann) gewesen. Doch die SPD legte sich quer.

Insgesamt gibt es in dem Paket 57 Einzelmaßnahmen. Zu den wichtigsten zählen nebst der Mehrwertsteuer-Senkung und der Prämie für E-Autos:

· Kinder: Es gib einen Bonus von 300 Euro pro Kind, bei Gutverdienern wird dieser mit dem Kinderfreibetrag verrechnet. Auf die Grundsicherung für Arme werden die 300 Euro hingegen nicht angerechnet.

· Sozialbeiträge: Um diese stabil zu halten, werden sie bei 40 Prozent des Lohns gedeckelt. Was den Sozialversicherungen fehlt, schießt der Bund zu.

· Stromkosten: Zur Entlastung der Bürger wird auch die Sonderabgabe zur Förderung von erneuerbaren Energien gedeckelt. Sie liegt derzeit bei 6,7 Cent pro Kilowattstunde.

· Kommunen: Zwar werden diese nicht von ihren Altschulden befreit, doch der Bund übernimmt mehr Kosten bei der Unterbringung von Sozialhilfeempfängern und gleicht den Ausfall von Gewerbesteuern aus.

Von Ökonomen kommt Lob. So sagt Ifo-Chef Clemens Fuest über das Paket: "Es ist sicherlich in der Lage, die Rezession zu dämpfen. Aus der Welt schaffen kann man sie natürlich nicht." (Birgit Baumann aus Berlin, 4.6.2020)