Heinz-Christian Strache will das ganze Ibiza-Video sehen, bevor er mehr über den "nichtphilosophischen Abend" erzählt.

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Heinz-Christian Strache hat in seinem Leben offenbar schon viele Menschen enttäuscht: etwa den ehemaligen Koalitionspartner ÖVP, dessen Fraktionsführer Wolfgang Gerstl von "zwei Gesichtern" der FPÖ sprach; oder auch seine ehemaligen Parteikollegen. Etwa Martin Graf, der in einer Diskussionsrunde Straches "falsche Freundeskreise" beklagte, die sich dieser bei seinem politischen Aufstieg zugelegt habe. Am Donnerstag enttäuschte Strache dann, zumindest anfangs, die zahlreichen Journalisten und Abgeordneten, die sich zu seiner Aussage im parlamentarischen Ibiza-Untersuchungsausschuss eingefunden hatten. Er werde "kaum etwas sagen", meinte Strache einleitend.

Die Casinos-Ermittlungen basierten auf anonymen Anzeigen, er habe keine volle Akteneinsicht, lamentierte der einstige FPÖ-Chef. Und auch zum Thema Ibiza wolle er nicht viel beantworten, solange er nicht das gesamte Video sehen könne. Nach und nach wurde Strache dann doch gesprächiger. Er habe auf Ibiza "keine rechtswidrigen Angebote gemacht", sondern "Gerüchte erklärt", wie sich andere Parteien finanzieren, und die hiesige Praxis von Parteispenden zu erläutern versucht.

Die siebenminütigen Ausschnitte des Videos, die publiziert wurden, seien jedenfalls "nicht authentisch", sondern "aus dem Kontext gerissen". Auch die medialen Anschuldigungen zur Causa Casinos seien "falsch", sagte Strache.

Suche nach SMS mit Kurz

Unklar sei ihm, warum SMS zwischen ihm und Kurz nicht im Akt sind. Die in den vergangenen Tagen kolportierten Vorwürfe in Bezug auf die Privatklinik Währing wies Strache von sich. Er soll der Klinik seines langjährigen Freundes Walter Grubmüller zur Aufnahme in einen aus Steuergeld gespeisten Fonds verholfen haben soll. Wortkarg gab sich Strache auf die Frage, ob Grubmüller einen Ankauf des Ibiza-Videos finanzieren wollte. Zum Thema Postenbesetzungen gab Strache an, die ÖVP habe sich nicht an Abmachungen gehalten.

Auch Straches ehemaliger Weggefährte Johann Gudenus, dessen Befragung erst am frühen Abend begann, zeigte sich anfangs wortkarg. Den Ermittlungsbeschluss in der Causa Casinos habe er nach "dreimaligem Durchlesen" nicht verstanden. Warum er sich mit vielen Personen aus der Glücksspielbranche traf, etwa mit Ex-Casinos-Vorstand Dietmar Hoscher (SPÖ)? Um Wein zu trinken, so Gudenus.

Die Befragungen von Strache und Gudenus verzögerten sich stark, weil die Abgeordneten vormittags viel zu debattieren hatten, etwa eine von der FPÖ thematisierte angebliche Befangenheit Gerstls, weil dieser im Innenministerium arbeitet.

Als die Befragung von "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk begann, grüßte man sich andernorts wohl schon mit "Mahlzeit". "Alles, was ich weiß, schreibe ich in die Zeitung. Alles andere sage ich nicht", kommentierte Klenk nachher. Eine gute Zusammenfassung, denn sensationelle Neuigkeiten plauderte der Investigativjournalist nicht aus.

Klenks Videonacherzählung

Das war aber auch nicht der Plan, vielmehr sollten Klenk und seine Nacherzählungen den atmosphärischen Rahmen für die anschließenden Befragungen schaffen. Nicht besonders glücklich über Klenks Ladung dürfte die ÖVP gewesen sein; ihr Fraktionsführer Wolfgang Gerstl verpackte in seine Befragung oftmals Kritik – "Falter" und ÖVP befinden sich ja nach wie vor in einem Rechtsstreit, weil die Wochenzeitung über finanzielle Interna der Türkisen berichtet hatte. Knapp drei Stunden lang beschrieb Klenk den "Korruptionstanz", den Strache auf Ibiza mit der falschen Oligarchennichte absolvierte.

Bislang unbekannt war, dass der "Falter" laut Klenk "zwei, drei Monate nach Regierungsantritt über eine sehr bekannte österreichische Persönlichkeit, die ich nicht erwartet hätte, die auch nicht unmittelbar im parteipolitischen Bereich tätig ist, die Information" über ein Video bekommen habe, das Strache beim Missbrauch von Drogen zeige. Strache hat Drogenmissbrauch stets von sich gewiesen, laut Klenk sei im Ibiza-Video davon auch nichts zu bemerken.

Straches "Korruptionstanz"

Sichtbar seien allerdings dessen Korruptionsfantasien: Zwar habe Strache immer wieder betont, alles müsse rechtmäßig ablaufen, inhaltlich habe er laut Klenk aber rechtswidrige Dinge vorgeschlagen. Das ist allerdings nicht strafbar, wie die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) rasch nach der Veröffentlichung der Videosequenzen vor einem Jahr feststellte: Denn Strache war zum Zeitpunkt der Aufnahme "nur" FPÖ-Chef, also kein Amtsträger.

Deshalb könne nicht wegen Bestechung ermittelt werde. An einer Behebung dieser Gesetzeslücke arbeitet momentan Justizministerin Alma Zadić (Grüne). Sie wird am Freitag vor dem U-Ausschuss Platz nehmen, nach ihr kommt Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). Die beiden sollen unter anderem über das Hickhack rund um das sichergestellte Ibiza-Video Auskunft geben. Offenbar gab es hier Zwist; die WKStA erfuhr vom Fund des Videos durch die Polizei erst aus den Medien. Zumindest Zadić wird sich am Freitag in der Hofburg einfinden. Überlegen müssen sich die Abgeordneten, wie sie den nächsten Mittwoch auffüllen möchten: An diesem Tag haben die beiden ehemaligen Casinos-Manager Hoscher und Alexander Labak abgesagt. (Fabian Schmid, Sebastian Fellner, Theo Anders, 4.6.2020)