Der 33-jährige Mühlviertler hat 2019 einen Bauernhof übernommen.
Foto: Erwin Pils / www.foto-pils.at

"Nach der Matura hab ich mir mein Wirtschaftsstudium mit Online-Pokern finanziert. Ich wurde zu einem der besten Spieler Europas, gab das Studium auf und widmete mich ganz der Pokerkarriere. Sie gab mir in gewisser Weise Freiheit. Ich hatte keinen Chef, keine fixen Arbeitszeiten und konnte monatelang mit meinem Rucksack um die Welt reisen. Doch nach etwa zwölf Jahren ließ die Motivation nach. Man muss bei dem Geschicklichkeitsspiel aber immer alles geben, um ein Winning Player zu bleiben. Nur die besten Spieler verdienen auf längere Sicht mehr Geld, als sie einsetzen. Trotz finanzieller Erfolge fehlte mir die Freude, mit meinem Beruf etwas Positives zur Gesellschaft beizutragen.

Der Frohnlehnerhof in Gutau.
Erwin Pils / www.foto-pils.at

Erfüllung eines Traums

Ich hatte schon als Kind den Traum, Landwirt zu werden. Nach jahrelanger Suche wurde ich auf den Frohnlehnerhof in Gutau aufmerksam. Im Sommer 2019 konnte ich ihn vom Vorbesitzer, zu dem seither ein freundschaftliches Verhältnis besteht, übernehmen. Mit dem Hof habe ich mich vom Erfolgsdruck beim Pokern befreit – paradoxerweise mithilfe der Ersparnisse aus den Spielen. Meine Freundin und ich sind gerade mit Aufbauarbeiten beschäftigt. Unsere Angus-Mutterkühe sind schon eingezogen, bald folgen Hühner, wir bauen Gemüse und Obst an. Vieles ist noch möglich: Ferienwohnungen, ein Hofkino, ein Bauernhofhort, in dem Kinder die Natur nähergebracht wird … Ich mache keine strikten Pläne, nehme alles so, wie es kommt.

Den Angus-Mutterkühen werden Hühner folgen.
Erwin Pils / www.foto-pils.at

Unterstützung und Eigenverantwortung

Die Vorstellung, sich von seinem Job zu befreien und als Quereinsteiger so unabhängig wie möglich auf einem Hof zu leben, mag idyllisch klingen. In Wahrheit ist es auch sehr herausfordernd. Ohne Unterstützung vom Vorbesitzer, den Nachbarn, anderen Landwirten und der Familie würden wir das nicht schaffen. Meine Eltern gewährten mir schon immer die Freiheit, das zu machen, was ich will. Natürlich gab es auch warnende Hinweise, aber ich hatte stets ihre volle Unterstützung. Das gibt einem Selbstsicherheit, und man traut sich was. Mir ist bewusst, dass ich viel Glück hatte, denke aber, viel mehr Menschen sollten sich von ihren Abhängigkeiten befreien und eigenverantwortlich leben." (Michael Steingruber, 6.6.2020)