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Die Onlineplattform "oe24.at" hat nach Ansicht des Presserats mit dem Bild eines Mordopfers die Würde des Opfers verletzt. Der im Jänner veröffentlichte Artikel "Täter postete Foto von Mord-Opfer in WhatsApp-Story" habe Persönlichkeitsschutz und Intimsphäre "grob missachtet". Die Medieninhaberin habe sich nicht am Verfahren vor dem Presserat beteiligt, das auf einen Hinweis einer Leserin zurückgehe.

"Oe24" berichtete über einen Mordfall in Neunkirchen. Der Verdächtige habe auf Whatsapp ein Foto der "blutüberströmten Leiche" des Opfers im Format "Story" gepostet. Fotos zum Artikel auf "oe24.at" zeigen das erwähnte Bild der Leiche. Erkennbar waren laut Presserat zunächst die blutige Kleidung des Opfers, mögliche Einstiche im Bauchbereich sowie Blutspuren auf dem Boden. Das Gesicht des Opfers wurde verpixelt, worauf hingewiesen wird ("Anm. aus Pietats-Gründen ist die Leiche verpixelt"). Zu einem späteren Zeitpunkt habe das Medium auch die Verletzungen im Bauchbereich sowie die Blutspuren auf der Kleidung und auf dem Boden verpixelt.

"Grob missachtet"

Berichte über Mordfälle seien grundsätzlich von öffentlichem Interesse, hält der Senat 1 des Presserats dazu fest. Kriminalberichterstattung diene in gewisser Weise auch der Abschreckung potenzieller anderer Täter und damit der Prävention. Aus dem öffentlichen Interesse an einem konkreten Mordfall ergebe sich jedoch nicht, dass der Persönlichkeitsschutz des Opfers missachtet werden könne. Und der gelte auch nach dem Tod.

"Aufnahmen vom Moment des Todes betreffen neben der Würde auch die Intimsphäre des Sterbenden (Punkt 6 des Ehrenkodex)", ließ der Presserat am Freitag verlauten. "Die Veröffentlichung des Fotos verletzt somit die Persönlichkeitssphäre des Ermordeten: Der Senat erachtet es als evident, dass die Menschenwürde und der Opferschutz hier grob missachtet wurden."

"Bloß Befriedigung des Voyeurismus"

Die Veröffentlichung des Fotos diene nach Ansicht des Senats "bloß der Befriedigung des Voyeurismus und der Sensationsinteressen gewisser Leser". Die Verbreitung des grausamen Bildmaterials auf der Whatsapp-Seite des Verdächtigen rechtfertigt die journalistische Veröffentlichung nicht.

Zudem spiele es keine Rolle, dass das Medium das Gesicht des Opfers und zu einem späteren Zeitpunkt auch die Einstiche im Bauchbereich verpixelt hat, erklärt der Presserat: "Aufgrund der detaillierten Schilderung des Vorfalls ist das Opfer für dessen unmittelbares Umfeld jedenfalls weiterhin identifizierbar."

Medien hätten in der Berichterstattung Rücksicht auf die Trauerarbeit und das Pietätsgefühl der Angehörigen zu nehmen. Der Presserat: "Nach Ansicht des Senats ist die Veröffentlichung von Bildaufnahmen von der Leiche eines Menschen geeignet, die Trauerarbeit der Angehörigen massiv zu erschweren."

Der Presserat hat die Medieninhaberin von "oe24.at" aufgefordert, über den Ethikverstoß freiwillig zu berichten. "Oe24.at" erkennt den Presserat nicht an. Aus der Mediengruppe Österreich der Familie Fellner hat die Kauftageszeitungsversion "Österreich" den Presserat anerkannt. (red, 5.6.2020)