Mireille Ngosso beim Demotreffpunkt am Platz der Menschenrechte in Wien. Mit 50.000 Teilnehmern hat die SPÖ-Politikerin nicht gerechnet.

Foto: Regine Hendrich

Bei der Demo war Mireille Ngosso (ganz links) an vorderster Front dabei.

Foto: Regine Hendrich

Mireille Ngosso ist überwältigt; das hört man ihr an. 50.000 Teilnehmer hat die Polizei bei der von der Afroösterreicherin organisierten Black-Lives-Matter-Demo am Donnerstag in Wien gezählt. "Es war unglaublich", schwärmt sie: "Wir haben überhaupt nicht damit gerechnet." Besonders, dass "so viele, die nicht betroffen sind", sich dem Protest angeschlossen haben, habe sie überrascht.

Im Alter von drei Jahren floh die 1980 in Zaire – heute Demokratische Republik Kongo – Geborene mit ihrer Familie vor der Diktatur nach Österreich, wo sie 1984 Asyl erhielt. Als Wienerin mit schwarzer Hautfarbe habe sie hier schon früh Rassismus erlebt. "Mit 14 Jahren war ich mit einer weißen Freundin auf der Mariahilfer Straße und wurde plötzlich von einem Polizisten angehalten und durchsucht. Meine Freundin wurde nicht durchsucht", erzählt sie.

Turbulenter Aufstieg im Bezirk

So weit hätte sie für Beispiele gar nicht zurückblicken müssen: Als im April 2018 Ngossos Aufstieg von der SPÖ-Bezirksrätin zur Vize-Bezirksvorsteherin in der Wiener City bekannt wurde, schlug ihr eine Welle an Rassismus und Hass entgegen. "Ich bin mir jetzt nicht mehr sicher, ob ich noch weiß, welche Wurzeln und Identität meine Heimatstadt hat ...", postet etwa ein Redakteur der Neuen Freien Zeitung, des offiziellen FPÖ-Parteiblatts, unter einem Foto von Ngosso. Andere werden expliziter, untergriffiger und hasserfüllter. "Dass es im Jahr 2018 in Österreich noch immer Rassismus gibt, ist nicht angenehm", reagierte sie damals zurückhaltend.

Auch sonst läuft es für Ngosso nicht ganz rund in der Politik. Den Job als Bezirksvize hat die Medizinerin, die derzeit eine Ausbildung zur Allgemeinchirurgin macht, noch bis zur Wien-Wahl im Oktober. Eigentlich hätte sie die SPÖ im Ersten als Spitzenkandidatin in die Wahl führen sollen. Doch bei der roten Bezirkskonferenz erhielt Ngosso keine Mehrheit von ihrer Partei, und das, obwohl es keinen Gegenkandidaten gab.

Ngosso nimmt es gelassen. Sie bleibe SPÖ-Parteimitglied, aber werde sich auf die in Österreich aktive Anti-Rassismus-Bewegung konzentrieren, sagt sie. "Jetzt ist der Moment da", meint die verheiratete Mutter eines Sohnes. Sie wolle "politischen Druck ausüben" und einen Aktionsplan gegen strukturellen Rassismus erarbeiten. "Die Generationen vor uns haben uns die Tür geöffnet, sonst wäre ich heute nicht Politikerin. Jetzt haben wir die Chance, die nächste Türe für die kommenden Generationen aufzumachen." (Oona Kroisleitner, 5.6.2020)