Corona-Desinfektion im Verteilerzentrum Inzersdorf am 21. Mai. Den neuerlichen Infektionsfall gab es in der Halle daneben, in der der Post-Lehrling arbeitet, der sich nun zu Wort meldet.

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Wien – Die Arbeitsverhältnisse in den Verteilerzentren der Post standen in der Corona-Krise bereits in der Kritik – so etwa im Postzentrum Hagenbrunn, das sich im Mittelpunkt eines umfangreichen Infektionsclusters befand. Dort hatten prekäre Zeitarbeiter die Pakete unter großem Arbeitsstress und teilweiser Missachtung der Abstandsregeln sortiert.

Von einem fragwürdigen Einsatz von Arbeitskräften berichtet nun auch Peter Mayer (Name geändert), ein Postlogistiklehrling aus dem Brief- und Paketezentrum in Wien-Inzersdorf. Dort war ein Zeitarbeiter am Mittwoch vergangener Woche positiv auf das Virus getestet worden.

Lehrlinge arbeiten wie Angestellte

Seit März – und noch bis Ende Juni – arbeiteten er und zwei weitere Lehrlinge in einer der beiden dortigen Hallen als Briefverteiler, täglich von 7.30 bis 16 Uhr, so wie die fertig ausgebildeten Kollegen auch, schildert Mayer: "Ich stehe den ganzen Tag vor einem großen Kasten und schlichte Briefe."

Für diese Vollzeitarbeit bekämen er und zwei weitere Lehrlinge monatlich 680 Euro netto Lehrlingsentschädigung, während die Kolleginnen und Kollegen normale Gehälter bezögen. Als Briefsortierer habe man sie als Auszubildende eingesetzt, weil es in der Abteilung krisenbedingt zu wenig Personal gegeben habe. Nun seien sie schon drei Monate dort – "mit Ausbildung hat das nichts mehr zu tun", sagt Mayer.

Angst vor Infektionsrisiko

Postsprecher Martin Leitgeb kann diesen Unmut nachvollziehen, weist aber auf die "derzeitige Ausnahmesituation, in der wir alle leben", hin. Sobald sich die Situation beruhigt habe, werde die Logistiklehrausbildung bei der Post wie geplant fortgesetzt.

Auch das Risiko, sich mit dem Coronavirus zu infizieren, macht Lehrling Mayer Sorgen. "Ich arbeite in derselben Halle, wo der neue Fall bekannt geworden ist. Es ist eine große offene Halle, in der wir den Pausenbereich und Toiletten mit der Gruppe teilen, die jetzt in Quarantäne ist", schreibt er in einer Mail an den STANDARD.

Erst nach sechs Tagen getestet

Er selbst wurde erst sechs Tage nach dem Bekanntwerden des Falles in der Nachbarabteilung getestet – vergangenen Dienstag. Das Ergebnis stand am Freitag noch aus. Er habe Angst, das Virus weiterzugeben, etwa in den Öffis, die er täglich benutze, um zur und von der Arbeit zu fahren, sagte Mayer. Denn arbeiten gehen müsse er: Unter Quarantäne seien lediglich die engen Mitarbeiter des nachweislich Infizierten gesetzt worden.

Und er berichtet von leichtsinnigem Verhalten unter Kollegen. Trotz des Infektionsfalles würden viele Mitarbeiter die in der Halle herrschende Maskentragepflicht ignorieren. In den Pausen werde die Abstandsregel missachtet. "Viele Kollegen glauben nicht, dass ein Risiko besteht. Einige meinen sogar, dass es das Virus gar nicht gibt."

Krisenstab warnt vor neuen Corona-Clustern

Einstellungen wie diese würden derzeit verstärkt um sich greifen, sagt Corina Hard, Sprecherin des Wiener Corona-Krisenstabs. Ihr macht das große Sorgen: Durch Missachtung der Sicherheitsempfehlungen könnten trotz der aktuell niedrigen Infektionszahlen jederzeit neue Infektionscluster entstehen, gerade an Orten, wo Menschen in geschlossenen Räumen miteinander arbeiten.

Dass Mayer so spät getestet wurde, liege an den Regeln, nach denen PCR-Abstriche durchgeführt werden, sagt Hard: "Direkte Kontaktpersonen einer infizierten Person – also Menschen, die mit dieser an den Tagen davor insgesamt länger als 15 Minuten eng zusammen waren – werden sofort getestet und in Quarantäne geschickt", erklärt sie.

Andere, die mit dem oder der Infizierten hingegen nur losen Kontakt hatten, würden erst in der Folge durchgetestet, "um das Entstehen eines Clusters zu verhindern". Stellt sich jemand aus dieser Gruppe als positiv heraus, wird er sofort von des Gesundheitsbehörden verständigt und muss sich absondern. Das Übermitteln von Entwarnungen, also negativen Testergebnissen, ist laut Hard die Aufgabe der zuständigen Labors. (Irene Brickner, 8.6.2020)