Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP)

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Diese Woche beginnt die entscheidende Phase der Gespräche über den EU-Budgetrahmen bis 2027 samt Wiederaufbaufonds zur Bewältigung der Corona-Krise. Die Kommission hat ihre Vorschläge präsentiert. Nun ist es an den Staats- und Regierungschefs, bis Juli zu entscheiden, was sie wollen. Basis ihrer Verhandlungen: Neben regulären Budgetausgaben von 1100 Milliarden Euro in sieben Jahren für "klassische" EU-Politiken soll es eine Sonderfinanzierung von 750 Milliarden Euro geben.

Diese würden in Form von Zuschüssen und Krediten an alle EU-Staaten verteilt werden, bis 2024. Am meisten sollen jene Länder bekommen, die unter den Corona-Folgen am meisten leiden: Italien und Spanien. Das viele Geld soll nicht für Konsumausgaben oder zur Schuldentilgung verwendet werden, sondern für strukturelle Reformen, Zukunftsprojekte wie Klimaschutz oder Digitalisierung.

Reformerischer Effekt

Unter dem Zwang der Krise gäbe es erstmals ein Paket gemeinschaftlicher Wirtschafts- und Finanzpolitik, mit einem starken reformerischen Effekt. Vor allem sollte es dem Auseinanderdriften der wichtigsten Volkswirtschaften in der Eurozone und im Binnenmarkt entgegenwirken.

Der Clou dabei: Die 750 Milliarden Euro "Corona-Geld" sollen nicht durch Mitgliedsbeiträge der Länder hereinkommen. Die EU als Ganzes will sich dafür verschulden und das Geld über künftige EU-Steuern holen. Das wäre ein Mehr an Integration gemessen an dem, wie EU-Politik bisher gestaltet und finanziert wurde. Nationale Haushalte, wegen der Corona-Krise ohnehin angespannt, würden davon nicht belastet.

Die Mehrzahl der Staaten begrüßte das Konzept. Auch die deutsche Regierung, die gemeinschaftlicher Verschuldung skeptisch gegenüberstand, ließ sich überzeugen. Das hat weniger "idealistische" Gründe als handfeste ökonomische: Italien ist als drittgrößte Volkswirtschaft in der EU und Partner viel zu wichtig, um es "abstürzen" zu lassen. Weil das so ist, könnte man annehmen, dass auch Österreich – anders als Schweden oder Dänemark – diese Pläne zumindest nicht reflexhaft ablehnt, dass Kanzler Sebastian Kurz seine Linie als "Sprecher" der sparsamen vier EU-Nettozahlerländer etwas zurücknimmt. Das Land liegt zwischen Deutschland und Italien, die seine zwei größten Handelspartner sind: Österreich dürfte vom Wiederaufbauplan in Summe indirekt sogar profitieren, im Gegensatz zu den von Italien weit entfernten Staaten.

Rechnerische "Irrtümer"

Dennoch hat Finanzminister Gernot Blümel den harten Kurs sogar noch verschärft, die Pläne "inakzeptabel" genannt. Er legte zum Beweis, dass sich Österreichs EU-Beiträge "fast verdoppeln" würden, unstimmige Zahlen vor: Seit 2014 zahle man im Schnitt 2,9 Milliarden Euro pro Jahr ein, ab 2021 steige das auf 4,4 Milliarden Euro an, ab 2028 sogar auf 6,6 Milliarden. Dazu griffen seine Experten zu einem "Trick": Sie rechneten den Garantieanteil von 16 Milliarden Euro im Wiederaufbauplan einfach als künftigen Budgetbeitrag um, was so nicht vorgesehen ist. Mit solchen rechnerischen "Irrtümern" kommt man in Brüssel nicht weit. Das ist insofern schade, als es die Position Wiens bei Gesprächen im Kreis der Regierungschefs schwächt.

Es gäbe viele Dinge, um die Kurz und Blümel kämpfen sollten: Reformen zugunsten effizienterer EU-Subventionen, Kürzungen im Agrarbereich oder die Bindung von EU-Geldern an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit. Dafür braucht man Glaubwürdigkeit. (Thomas Mayer, 7.6.2020)