Im türkis-grünen Regierungsprogramm ist eine unabhängige Kontrollbehörde für die Exekutive angekündigt.

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Wien – Im Zuge der Anti-Rassismus-Proteste wird der Ruf nach einem Ende der strukturellen Benachteiligung von Afroamerikanern und anderen Minderheitenangehörigen auch in Österreich lauter. Es brauche "eine weitreichende Veränderung", sagte die Journalistin Vanessa Spanbauer am Sonntagabend in der ORF-Sendung "Im Zentrum". Konkret forderte sie, "dass sich die Polizei nicht selbst untersucht".

Auch in Österreich lebe man in einem System, "das von Rassismus geprägt ist", sagte die Chefredakteurin des Magazins "Fresh – Black Austrian Lifestyle". Wie tief der Rassismus in Österreich verwurzelt sei, zeige sich daran, "dass man Wählerstimmen dadurch bekommen kann, indem man Menschen herabwürdigt". Auch würden Proteste nicht nur in den USA kriminalisiert, sondern auch in Österreich, sagte sie mit Blick auf die Festnahme von über 100 Afrikanern im Rahmen der "Operation Spring" wenige Wochen nach der Tötung des nigerianischen Asylbewerbers Marcus Omofuma im Jahr 1999. Kritiker sahen in der Drogenrazzia auch einen Einschüchterungsversuch gegen die sich nach dem Fall Omofuma formierende "Black Community" in Wien.

Die ORF-Sendung "Im Zentrum" beschäftigte sich mit den Protesten in den USA und auch damit, welche Probleme mit Rassismus es in Österreich gibt.
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Spanbauer forderte auch eine Änderung von Schulbüchern sowie ein Angehen der Probleme bei der Jobsuche und Wohnungssuche für schwarze Menschen. "Eigentlich sollte das seit Jahrzehnten passieren", kritisierte sie. Weiters gehe es darum, dass "man im Medienbereich mehr schwarze Menschen reinbringt, die verständlich machen, worum es geht", forderte sie. Die Projekte dafür gebe es, doch würden sie "nur teilweise umgesetzt". Dafür müssten sich aber auch die weißen Menschen im Land "als Gruppe verstehen". "Weiße Menschen nehmen sich nie zurück und denken über sich selbst nach", sagte sie.

Soziale Ungleichheit

"Wir erleben einen historischen Moment", sagte die US-Politikwissenschafterin Araba Evelyn Johnston-Arthur zur aktuellen Protestbewegung. Sie wies darauf hin, dass in der Geschichte der USA "jeder Millimeter an Rechten der Afroamerikaner erkämpft" worden sei. "Die Tatsache, dass wir global Proteste sehen, zeigt auch, dass antischwarzer Rassismus ein globales Phänomen ist", sagte die Professorin an der Howard University. Auch gehe es "um viel mehr als Polizeigewalt", verwies sie auf die Verschärfung sozialer Ungleichheit durch die Corona-Krise.

Der ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas forderte einen stärkeren Einsatz gegen Diskriminierung. Auch in Europa müsse man "die Mini-Trumps mit einer zivilgesellschaftliche Mehrheit in die Minderheit bringen", sagte der Vizepräsident des EU-Parlaments. Schließlich werde die Corona-Krise auch "stärker zu sozialen Spannungen führen", warnte er.

Sorge um Demokratie

Während Karas die Reaktion von US-Präsident Donald Trump auf den Tod des Afroamerikaners George Floyd als "unerträglich" brandmarkte und ihm vorwarf, "rassistische Politik" zu machen, sagte der Salzburger Politikwissenschafter Reinhard Heinisch rundheraus: "Ich würde Trump als Rassisten bezeichnen." Ein Grund für die Großdemonstrationen sei auch die Sorge über "die deutlich wahrzunehmenden autoritären Tendenzen" unter Trump, sagte der USA-Experte. Die Menschen gingen auf die Straße, "weil sie sich große Sorgen machen um die Zukunft der Demokratie in den USA".

Einen Kontrapunkt in der Debatte setzte der Politikberater Peter Rough vom konservativen Hudson Institute in Washington. Rough räumte ein, dass es Trump an Fingerspitzengefühl mangle, sagte dann aber auch: "Es war nicht Donald Trump, der diesen Mann (Floyd) umgebracht hat." Auch habe es im Vorjahr in den USA 4.500 ermordete Afroamerikaner gegeben. "Ganze neun Mal haben sie in Auseinandersetzung mit der Polizei das Leben verloren", so Rough, der diesbezüglich auch auf das Problem der ohne Väter aufwachsenden Afroamerikaner in den USA hinwies. (APA, 8.6.2020)