Seit die beiden Astronomen Michel Mayor und Didier Queloz 1995 erstmals einen Planeten außerhalb des Sonnensystems nachweisen konnten, ist viel passiert. Neben 51 Pegasi b, dem damals entdeckten ersten Exoplaneten, sind nun schon mehr als 4.160 weitere Welten bekannt, die ferne Sterne umkreisen. Freilich gilt nur ein Bruchteil davon als potenziell lebensfreundlich.

Die Liste der aussichtsreichen Kandidaten ist nun um einen besonders interessanten Planeten reicher. Forscher entdeckten um den sonnenähnlichen Stern Kepler-160 zwei weitere Exoplaneten, von denen einer äußerst vielversprechend scheint: KOI-456.04, knapp doppelt so groß wie die Erde, könnte lebensfreundliche Temperaturen und flüssiges Wasser auf der Planetenoberfläche aufweisen.

Erdähnliche Welt um sonnenähnlichen Stern? Das Kepler-160-System sollten wir im Auge behalten, meinen Astronomen.
Illustration: ESO/M. Kornmesser

Sonnenzwilling

"Um einzuschätzen, wie lebensfreundlich ein Planet ist, muss man auch den dazugehörigen Stern im Blick haben", sagt René Heller vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen, Erstautor der Studie im Fachblatt "Astronomy & Astrophysics". Nahezu alle bisher bekannten Welten, die ungefähr so groß sind wie die Erde und auf denen moderate Temperaturen herrschen, kreisen um sogenannte rote Zwerge, die kleiner und lichtschwächer als unsere Sonne sind.

Sterne dieser Klasse sind zwar sehr langlebig, sie strahlen aber hauptsächlich Infrarotlicht ab, sind sehr lichtschwach – und wahrscheinlich Schauplatz gewaltiger Eruptionen. Ein weiterer Nachteil: Erträgliche Temperaturen würden nur auf Planeten herrschen, die in sehr geringen Abständen um diese Sterne kreisen. Die enorme Anziehungskraft würde die Planeten jedoch vermutlich verformen, extreme vulkanische Aktivität könnte die Folge sein. Es ist deshalb fraglich, ob erdgroße Planeten um rote Zwerge günstige Bedingungen für die Entstehung von Leben bieten.

Der nun entdeckte Exoplanet KOI-456.04 ist ein anderer Fall. Sein Stern Kepler-160, der sich etwa 3.140 Lichtjahre von uns entfernt im Sternbild Leier befindet, ähnelt unserer Sonne frappierend: Mit einem Radius von etwa 1,1 Sonnenradien, einer Oberflächentemperatur von 5.200 Grad Celsius (nur etwa 300 Grad weniger als die der Sonne) und einer nahezu sonnengleichen Helligkeit mutet er wie ein Abbild unseres Zentralsterns an.

Kepler-Daten

Das Team um Heller, zu dem auch Wissenschafter der Uni Göttingen, der Sternwarte Sonneberg der Universities of California Santa Cruz und Berkeley sowie der Nasa zählen, entdeckte den Exoplaneten in Daten des inzwischen ausgeschalteten Kepler-Weltraumteleskops. Von 2009 bis 2013 zeichnete Kepler fast durchgehend die Helligkeit des Sterns auf – und ermöglichte schon vor einigen Jahren die Entdeckung zweier Welten um Kepler-160: Kepler-160b und Kepler-160c sind deutlich größer als die Erde und umkreisen den Stern vergleichsweise nahe.

Mit Oberflächentemperaturen von über 500 Grad Celsius sind diese Planeten nicht gerade lebensfreundlich. Allerdings ließen die Messdaten schon damals vermuten, dass die Anziehungskraft eines dritten, bisher unentdeckten Planeten die Umlaufbahn von Kepler-160c beeinflusst. Heller und Kollegen analysierten die Helligkeitsmessungen von Kepler-160 nun erneut. Dafür nutzten sie eine verfeinerte Form der sogenannten Transitmethode.

Mit dieser Methode suchen Forscher nach regelmäßig wiederkehrenden Verdunkelungen eines Sterns, die dadurch entstehen, dass ein Planet von der Erde aus gesehen vor dem Stern vorbeizieht. Je kleiner ein Planet ist, desto schwieriger lässt er sich auf diese Weise nachweisen. Die Forscher nutzten für ihre aktuelle Fahndung ein Modell, das die minimale Verdunkelung durch kleinere Objekte nicht als sprunghafte Helligkeitsänderung, sondern zunächst als allmähliche Ab- und dann als sanfte Zunahme abbildet.

"Besonders bei kleinen, etwa erdgroßen Exoplaneten kann dieser Unterschied in der Modellierung der Sternverdunklung ausschlaggebend sein", sagt Heller. "Schließlich ist das gesuchte Signal so winzig, dass wir fast schon im Rauschen der Daten graben." Die verfeinerte Suchweise vergrößert jedoch den Unterschied zwischen Rauschen und Signal in kritischen Fällen entscheidend – schon 18 Planeten um unterschiedliche Sterne konnten auf diese Weise entdeckt werden.

Fünf Grad Durchschnittstemperatur

Auch bei Kepler-160 wurden die Forscher fündig. "Unsere Auswertungen zeigen, dass sich dort mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar zwei weitere Planeten befinden", sagt Heller. Mit einem Radius von 1,9 Erdradien und einer Umlaufdauer von etwas mehr als 378 Tagen ist KOI-456.04 der spannendere Kandidat: Er dürfte ein Gesteinsplanet sein und kreist zudem innerhalb der habitablen Zone um Kepler-160 – also innerhalb jenes ringförmigen Bereichs um den Stern, in dem lebensfreundliche Temperaturen zu erwarten sind.

"KOI-456.04 ist mit 1,9 Erdradien vergleichsweise groß gegenüber manch anderen Planeten, die als lebensfreundlich gelten. Aber in Kombination mit seinem sonnenähnlichen Heimatstern Kepler-160 erscheint das System dem Gespann aus Sonne und Erde so ähnlich wie kein anderes Paar aus Stern und Planet, das wir kennen", sagt Heller. Dementsprechend angenehme Bedingungen könnten dort herrschen: Das Licht, das auf KOI-456.04 trifft, entspricht 93 Prozent des irdischen Wertes. Falls der Planet eine Atmosphäre besitzt, könnten im Durchschnitt Temperaturen von fünf Grad Celsius herrschen, zehn Grad weniger als durchschnittlich auf der Erde.

Für die Unregelmäßigkeiten in der Umlaufbahn seines Nachbarplaneten Kepler-160c ist jedoch nicht KOI-456.04, sondern der zweite neuentdeckte Planet Kepler-160d verantwortlich. Er zieht von der Erde aus gesehen nicht vor seinem Stern vorbei und erzeugt deshalb keine messbaren Helligkeitsschwankungen. (red, 8.6.2020)