Nicht nur schwedische Möbel, sondern auch Kleider können Namen haben. "Frieda", "Kimmy" und "Alexandra" von Designerin Sophie Pollak hängen in ihrem Shop Webandits in der Neubaugasse an Haken, die Unternehmerin selbst sitzt auf einem Ledersofa, Kunden schlendern durch den Laden, lassen sich von einer Verkäuferin beraten. Würden nicht alle eine Maske tragen, es sähe schon wieder nach Normalbetrieb aus.

Vor einigen Wochen herrschte hier noch ein anderes Bild: Laden zu, die acht Mitarbeiterinnen in Kurzarbeit. Statt durch den Lockdown in Schockstarre zu verfallen, warf sich Pollak kurzerhand in "Frieda", "Kimmy", "Alexandra" und drehte sich vor der Handykamera hin und her. Sie tat alles, um nicht in Vergessenheit zu geraten: Die Videos gingen auf Instagram online, die Kundinnen dankten es ihr nicht nur mit Likes, sondern auch mit Onlinekäufen.

Während ihr Shop geschlossen war, hat Sophie Pollak von Webandits die Nähe zu ihren Kundinnen auf der Plattform Instagram gesucht.
Foto: Christian Fischer

Außer Krediten nix gewesen

Dennoch hatte die Krise gravierende Folgen für das Geschäft. "Unsere Umsätze sind im März und April um achtzig Prozent eingebrochen", sagt Pollak. Seit zwei Wochen beobachtet sie einen langsamen Aufwärtstrend, klare Worte findet sie trotzdem. "Schwach und unaufrichtig" sei der Umgang der Regierung mit der Krise aus wirtschaftlicher Perspektive gewesen: "Es wurde nicht klar kommuniziert, falsche Infos wurden herausgegeben. Bis heute haben sich die wöchentlich geändert. Außer Krediten sind bis jetzt kaum Gelder geflossen." Pollak wünscht sich mehr Gehör für die Bedürfnisse der kleinen und mittleren Betriebe, an ihnen hingen wertvolle Jobs: "Warum nicht an einen Tisch laden? Das ist bis heute nicht passiert."

Fünf Minuten Fußmarsch entfernt: der Qwstion-Store in der Westbahnstraße. Hier ist bereits zu Mittag ordentlich was los, Geplauder an der Kaffeebar im hinteren Eck des Shops, der Barista reicht einen Caffè Latte nach dem anderen über die Theke. Johnny Huemer und Alexandra Leitner verkaufen hier mit vier Mitarbeitern Taschen des Schweizer Labels Qwstion, aber nicht nur: In dem Multibrandstore gibt es Kleidung, besondere Vasen, Bücher, im Moment auch Bademode vom Wiener Label Margaret & Hermione.

Die Mariahilfer Straße ist rund 500 Meter entfernt, doch zwischen Modeketten wie H&M, Zara, Urban Outfitters und dem Store in der Westbahnstraße liegen Welten: Hier kommen viele Leute auch einfach nur auf einen Tratsch vorbei. Etwas hinderlich dabei: die Maske. "Im Verkaufsgespräch eine Katastrophe", winkt Huemer ab. "Wir haben beratungsintensive Produkte, in der Kommunikation geht da wirklich vieles verloren."

Warten auf die Touristen

Der Lockdown kam für die Modeunternehmer zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, die frisch gelieferte Frühjahrsware bekam im März kaum ein Kunde mehr zu Gesicht. Falsch angefühlt habe sich auch die Wiedereröffnung des Geschäfts am 14. April: "Zwei Wochen war hier erst einmal gar nichts los." Der Neustart sei in der Schweiz reibungsloser abgelaufen, glaubt der Shopbetreiber: "Da wurde später, aber alles auf einmal hochgefahren." Was sich schon vor der Corona-Krise mit dem Aufkommen der Fridays-for-Future-Bewegung abgezeichnet hat, bestätige sich jetzt. Es werde weniger nebenher, dafür bewusster und nach Bedarf eingekauft, glauben Leitner und Huemer.

"Es wird bewusster konsumiert", sagen Alexandra Leitner und Johnny Huemer vom Qwstion-Store. Sie sind auf Taschen spezialisiert.
Foto: Christian Fischer

Designerin Silvia Gattin teilt diese Beobachtung. Sie verkauft in ihrem luftigen Geschäft in Wien-Leopoldstadt seit 2017 handgefertigte Stiefel aus Kilim-Teppichen und Einrichtungsaccessoires, die auf Instagram gern mit dem Hashtag #Bohemian versehen werden. Während Gattin für den Fotografen posiert, wuselt Hündchen Santo durch den Raum: "Der Lockdown hat das Bewusstsein für nachhaltige Produkte verstärkt." Viele Kunden hätten in den vergangenen Monaten ganz bewusst sie als lokale Unternehmerin unterstützt, erzählt Gattin.

Silvia Gattin verkauft in der Leopoldstadt Kilim-Stiefel und Einrichtungsaccessoires. Während des Lockdowns hat sie den Onlineshop aufgemöbelt.
Foto: Christian Fischer

Ihr Geschäft in der Hollandstraße zwischen Schwedenplatz und Karmelitermarkt lebt von einer gezielt vorbeikommenden Kundschaft, unter normalen Umständen aber auch von Touristen, die in den beiden nahegelegenen Hotels wohnen und bei ihrem Wien-Bummel gern auch bei ihr einfallen. Die Store-Betreiberin hat die vergangenen Wochen dazu genutzt, ihren Onlineshop aufzumöbeln, will aber flexibel bleiben: Sie möchte vermehrt Inneneinrichtungsberatung anbieten. Obwohl der Mai gut lief, bleibt die Anspannung. Der Gedanke an die wirtschaftliche Lage im Herbst bereite ihr Sorgen, räumt Gattin ein: "Sollte es zu einer noch größeren Kündigungswelle kommen, denken die Leute nicht an den Kauf von Mode oder Inneneinrichtung."

Neue Perspektiven

Die Taschendesignerin Eva Buchleitner hat bereits eine grundlegende Entscheidung gefällt, beschleunigt von Covid-19 und den Folgen. Fünf Jahre lang hat die Designerin im ersten Bezirk in der Kühfußgasse, direkt ums Eck vom Café Korb, auf wenigen Quadratmetern Taschen ihres Labels Eva Blut verkauft. Damit soll nun Schluss sein.

Ihr Geschäft wird Eva Buchleitner schließen, die Taschen werden in anderen Geschäften zu kaufen sein.
Foto: Eva Blut/Eva Buchleitner

Erst erschwerte eine Baustelle die Verkaufssituation, dann kam Corona. Die Touristen, die zeitweise die Hälfte des Umsatzes generierten, blieben seither aus. Buchleitner sitzt auf einer Bank vor ihrem Shop, neben ihr stehen zwei Ständer mit Taschen, bis Mitte Juni veranstaltet sie noch einen Abverkauf. Die Designerin ist fast ein wenig erleichtert, will sich endlich wieder mehr mit der Entwicklung ihrer Produkte auseinandersetzen, dafür war zuletzt wenig Zeit. In Wien werden ihre Accessoires weiterhin in mehreren Läden zu haben sein.

Im vierten Bezirk auf der Margaretenstraße hockt Peter Holzinger inmitten der bunt behängten Kleiderstangen des Samstag-Shops, vor ihm ein Hummusteller, den die Nachbarin vorbeigebracht hat. Hier gibt es Mode seiner eigenen Marke Superated, der Laden ist aber auch eine Anlaufstelle für Fans des österreichischen Labels House Of The Very Island's. Holzinger hat den Store vor zehn Jahren eröffnet und schon so manches Tief durchgestanden.

Leicht sei es schon vor Corona nicht gewesen, Fast Fashion setze dem Verständnis für die Preisgestaltung unabhängiger Geschäfte zu, seufzt der Shopbetreiber. Durch die Krise getragen hat Holzingers Unternehmen der Verkauf von Masken: Mit deren Fertigung begann der Modedesigner, nachdem einer seiner Freunde in New York an Covid-19 verstorben war. Rund 150 Stück hat er genäht, dann wurde die Produktion ausgelagert. Holzinger bietet sie noch immer an. Zum Einkaufen können sie zwar bald abgelegt werden – doch wer weiß, was noch kommt. (Anne Feldkamp, 9.6.2020)


Webandits

Qwestion Store

Silvia Gattin

Eva Blut

Samstag Shop