Elritzen sind unkomplizierte fingerlange Schwarmfische, denen kurzfristig auch höhere Temperaturen nichts anhaben können. Für ihre geistige Entwicklung ist das aber gar nicht förderlich.

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Der Klimawandel macht Österreichs Seen wärmer. Der Lunzer See macht dabei keine Ausnahme, auch wenn er eher für sein klares Wasser als für seine badefreundlichen Temperaturen bekannt ist: Innerhalb der letzten 30 Jahre ist seine Wassertemperatur im Jahresmittel um ein halbes Grad gestiegen – Tendenz weiter steigend.

Ein halbes Grad mag harmlos klingen, doch langjährige Entwicklungen dieser Art können weitreichende Auswirkungen auf die im See lebenden Organismen haben. Am interuniversitären Zentrum Wasser-Cluster Lunz gehen Forscher derzeit mit finanzieller Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF einer recht unerwarteten Konsequenz nach, nämlich größeren, aber leistungsschwächeren Gehirnen bei Fischen.

Wechselwarm

Wie alle Tiere mit Ausnahme der Vögel und Säuger sind Fische wechselwarm, das heißt, ihre Körpertemperatur schwankt mit jener der Umgebung. Das bedeutet unter anderem, dass sie in warmem Wasser mehr Energie brauchen, um ihre Lebensfunktionen aufrechtzuerhalten.

Das wiederum hat zur Folge, dass sie mehr Sauerstoff brauchen. "Viele Fische sind imstande, sich an den erhöhten Energiebedarf anzupassen und ihren Grundmetabolismus auf ein niedrigeres Niveau zu drücken", sagt Libor Závorka vom Wasser-Cluster Lunz, "aber gewöhnlich ist das mit Kosten an einer anderen Stelle verbunden."

Von manchen Wechselwarmen weiß man, dass diese Kosten auch im Bereich kognitiver Leistungen anfallen können. Bei den nur in Australien vorkommenden Lesueur-Geckos (Amalosia lesueurii) etwa brauchten Exemplare, die in einem warmen Nest aufgezogen wurden, länger, um zu einem Unterschlupf zu finden, als Artgenossen, die bei üblichen Temperaturen aufwuchsen. Welche Einbußen Fische in Kauf nehmen, untersuchte Závorka ab 2017 zusammen mit Shaun Killen von der Universität Glasgow an Elritzen.

Am klügsten bei 14 Grad

Elritzen sind fingerlange Schwarmfische aus der Familie der Karpfen, die bevorzugt saubere, sauerstoffreiche Fließgewässer und Seen besiedeln, wo sie sich von Insekten, Kleinkrebsen und Würmern ernähren. Was die Wassertemperatur angeht, sind sie relativ unkompliziert und überleben sogar kurze Phasen bis zu 30 Grad Celsius. Am besten geht es ihnen aber bei circa 14 Grad; da werden sie, wie Závorka und seine Mitarbeiter zeigen konnten, auch am klügsten.

Die Forscher brachten junge Elritzen aus einem Kanal des schottischen Flusses Kelvin ins Labor der Universität Glasgow, wo sie die eine Hälfte bei den unter natürlichen Umständen üblichen 14 und die andere bei deutlich höheren 20 Grad Celsius hielten.

Nach zwei Monaten ungestörten Wachstums wurden die Tiere farblich individuell markiert und dann einzeln auf ihre kognitiven Fähigkeiten getestet. Ihre Aufgabe bestand darin, in einem Labyrinth, das aus drei in einer Reihe angeordneten Kammern bestand, den Weg zu einem Leckerbissen zu finden, in dem Fall eine Zuckmückenlarve.

Labyrinth-Aufgabe

Die Larve befand sich in der mittleren Kammer, die aber nur über eine der beiden Seitenkammern erreichbar war; die zweite hatte zwar einen Durchbruch, durch den der verlockende Geruch der Belohnung dringen konnte, nicht aber die Elritze. Jeder Fisch wurde vier Mal mit dem Labyrinth konfrontiert, und sein Verhalten wurde aufgezeichnet.

Das Ergebnis der Studie, die kürzlich im Journal of Experimental Biology veröffentlicht wurde: "Die warm aufgezogenen Fische schnitten richtig schlecht ab", erzählt Závorka, "sie machten viel mehr Fehler als die anderen, und sie wurden auch mit den Wiederholungen nicht besser."

Interessanterweise hatten die in warmem Wasser aufgewachsenen Fische signifikant größere Gehirne, was eigentlich mit höherer Leistungsfähigkeit einhergehen sollte. Aber: "Offenbar handelt es sich bei dem neu entstandenen Gewebe nicht um Neuronen", meint Závorka.

Stattdessen haben die Tiere mit dem vergrößerten Gehirn ein Organ, das weniger leistet, aber mehr Energie zu seiner Erhaltung braucht, was wiederum einen erhöhten Nahrungsbedarf bedeutet. Leicht vorzustellen, dass die Erwärmung des Wassers im Zuge des Klimawandels eine sehr ungünstige Entwicklung für Fische bedeuten kann, wie Závorka erklärt.

Unterschiedliche Nahrung

Die Wassertemperatur ist jedoch nicht der einzige Faktor, der bei der Entwicklung von Fischen eine Rolle spielt. Seit vergangenem Herbst arbeitet Závorka gemeinsam mit Martin Kainz vom Wasser-Cluster Lunz an einem neuen FWF-Projekt, das die Auswirkungen von Wassertemperatur und Nahrung auf die kognitiven Fähigkeiten der Fische zum Inhalt hat. "Mit der Erderwärmung verändern sich auch die Nahrungsnetze", führt Závorka aus, "deshalb ist es zu wenig, sich nur die Temperatur anzuschauen."

Das besondere Augenmerk der Forscher liegt dabei auf langkettigen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren, von denen bekannt ist, dass sie eine Rolle bei der Entwicklung von Nervengewebe spielen und die Fische genauso mit der Nahrung aufnehmen müssen wie wir. Für diese Versuche in Lunz werden Bachforellen verwendet.

Gruppen davon werden nicht nur bei zwei unterschiedlichen Wassertemperaturen aufgezogen und gehalten, sondern auch mit Pellets gefüttert, die unterschiedlich viele von den wertvollen Fettsäuren enthalten. In der Folge sollen die Forellen Lernexperimenten unterzogen werden.

Außerdem werden sie in puncto Größe, Körpermasse, Allgemeinzustand und natürlich auch wieder Gehirngröße verglichen. Es bleibt abzuwarten, ob die Elritzen-Entwicklung sich auch bei den Bachforellen zeigt, und falls ja, unter welchen Umständen. (Susanne Strnadl, 15.6.2020)