Verfassungsministerin Karoline Edtstadler will darauf achten, dass die angekündigte Informationsfreiheit die Verwaltung nicht überlastet.

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Die türkise Transparenz-Initiative kam überraschend: Schließlich zeigte die ÖVP in den vergangenen Jahrzehnten wenig Interesse an der Abschaffung des Amtsgeheimnisses. Ein zahnloses Informationsfreiheitsgesetz ist aber nicht viel wert. Das soll es laut Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) aber nicht werden.

STANDARD: Es gibt bereits ein Auskunftspflichtgesetz. Was stört Sie an der aktuellen Rechtslage?

Edtstadler: Man muss sagen: Es gibt zehn Auskunftspflichtgesetze. Nämlich für jedes Bundesland und für den Bund eines.

STANDARD: Österreich halt.

Edtstadler: Ja, genau, aber so schaut es aus. Wir wollen einen Paradigmenwechsel vornehmen. Jetzt steht einer Auskunft häufig das Amtsgeheimnis entgegen, Ausnahmen davon sind im Auskunftspflichtgesetz normiert. Zukünftig soll es umgekehrt sein: Es soll kein Amtsgeheimnis mehr geben, stattdessen ein verfassungsmäßig gewährleistetes Recht auf Information verankert werden – verbunden auch mit dem Recht auf Zugang zu Dokumenten. Ein klares Gesetz für das ganze Bundesgebiet soll festlegen, wann öffentlich Bedienstete oder Unternehmen, die von den Informationspflichten betroffen sind, Zugang zu Informationen zu erteilen haben.

STANDARD: Die Grünen haben die Informationsfreiheit immer als Verhandlungserfolg gefeiert. Musste die ÖVP überzeugt werden?

Edtstadler: Auch die ÖVP hat schon vor langem gefordert, dass es hier zu einem Paradigmenwechsel kommt. Es ist beiden Regierungsparteien ein ganz wesentliches Anliegen.

STANDARD: Aktuell können Behörden die Auskunft verweigern, wenn sie davon ausgehen, dass der Fragende kein ehrliches Interesse an der Antwort hat. Soll das bleiben?

Edtstadler: Bürger müssen mit relevanten Informationen versorgt werden. Sie müssen dabei kein gesondertes Interesse im Einzelfall nachweisen. Aber es gibt immer wieder Menschen mit einem sogenannten verdichteten Rechtsverständnis, die in sehr regelmäßigen Abständen Anfragen stellen. Mir ist wichtig, dass auch die Verwaltung funktionsfähig bleibt, dass es hier zu keiner überbordenden Inanspruchnahme dieses Rechts kommt und dass man solchen Personen auch einmal ein "Stopp" entgegenhalten kann, wenn man sieht, dass das querulatorisch ist. Das gibt es auch bei internationalen Höchstgerichten.

STANDARD: Wie verhindern Sie, dass es zu viele Ausnahmen gibt und das Gesetz zahnlos wird?

Edtstadler: Die Umkehrung des Systems weg vom Amtsgeheimnis hin zur Informationspflicht bedingt, dass man Ausnahmen normiert. Je enger die Grenzen sind, desto höher ist die Anzahl der Ausnahmen. Mir ist es ein Anliegen, dass alle, die von dieser Pflicht betroffen sind, dann klar vor Augen haben, wann sie Auskunft zu erteilen haben. Und wenn keine Auskunft erteilt werden kann, muss darüber auf Antrag ein Bescheid erlassen werden. Dann muss man sich ganz konkret Gedanken darüber machen, warum man sie nicht erteilt.

STANDARD: Was passiert, wenn sich eine Behörde trotz eines entsprechenden Urteils weigert, Daten herauszugeben?

Edtstadler: Eine schwierige Situation, denn ein Rechtsstaat kann nur funktionieren, wenn gerichtliche Urteile befolgt werden. Passiert das nicht, hat man tatsächlich eine rechtspolitische Diskussion größerer Dimension.

STANDARD: Aber genau das ist jemandem vom Forum Informationsfreiheit passiert, der Daten von der Stadt Wien bekommen wollte.

Edtstadler: Ich kann dem nichts abgewinnen, dass man gerichtlichen Urteilen nicht Folge leistet. Sie wissen, dass ich selbst Richterin war. Es gibt immer einen Instanzenzug, und es gibt irgendwann ein höchstgerichtliches Urteil, und dem muss man Folge leisten. Punkt, Ende, aus. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

STANDARD: Ein beliebtes Beispiel für das Amtsgeheimnis ist der Zaun am Grenzübergang Spielfeld, dessen Errichtungskosten geheim blieben. Soll so etwas in Zukunft öffentlich sein?

Edtstadler: Das ist ja das Ziel der ganzen Übung, dass man staatliches Handeln transparenter macht. Ohne dass ich jetzt schon einen Entwurf vor mir hätte, würde ich schon sagen, dass dieses Beispiel etwas wäre, das einer Information zugänglich sein sollte.

STANDARD: Also grundsätzlich gesprochen alle Verträge mit öffentlichen Stellen?

Edtstadler: Ich würde sogar so weit gehen, dass Stellungnahmen, Gutachten, Studien, die von staatlichen Stellen in Auftrag gegeben werden, proaktiv in einer Informationsdatenbank veröffentlicht werden.

STANDARD: In Großbritannien wurde 2009 der systematische Spesenmissbrauch im Parlament aufgedeckt. Möglich war das durch ein Informationsfreiheitsgesetz. Wird das in Österreich 2021 auch möglich sein?

Edtstadler: Wir müssen natürlich immer Persönlichkeitsrechte wahren. Aber das sollte aus meiner Sicht dort enden, wo es um die Verwendung öffentlicher Gelder geht.

STANDARD: Das heißt, wenn Sie nach unserem Interview beruflich mittagessen gehen, werde ich das 2021 herausfinden können?

Edtstadler: Da wird man schauen müssen, inwieweit hier der Datenschutz zum Tragen kommt. Es gibt natürlich über jedes berufliche Mittagessen, das ich habe, eine entsprechende Abrechnung. Das meine ich damit, Verwaltungstätigkeit auch funktionsfähig zu halten. Wenn jetzt jede einzelne Abrechnung über die Medien abgefragt wird, dann wird die Verwaltung wahrscheinlich rasch an ihre Grenzen stoßen. Irgendwo muss man da auch im Sinne der Effizienz eine Grenze einziehen. (Sebastian Fellner, 10.6.2020)