Die Imkerin Hatidze aus "Honeyland", auch ein Vorbild an Beharrlichkeit.

Foto: Stadtkino

Da sage noch einmal jemand, das Kino sei dem Untergang geweiht. Im Wiener Admiral, wo schon im Jahr 1913 Laufbilder über die Leinwand jagten, herrscht großer Andrang. Die Betreiberin Michaela Englert reißt, ausgerüstet mit einer futuristischen Plexiglasmaske aus Vorarlberger Anfertigung, die im Kino auch erhältlich ist, selbst die Karten ab. Am Pfingstwochenende habe sie, umgerechnet auf die Vorführungen, sogar mehr Besucher verbucht als das nahe Haydn-Kino, erzählt sie: "Ich muss zufrieden sein." Nur der Beruf der Platzanweiserin sei zu diesen Zeiten wieder gefragt, fügt Englert hinzu – die Sitzplatzkoordination erfordert Überblick und Fingerspitzengefühl.

Weniger Personal

Das Admiral Kino, ein echtes Bezirkskino am oberen Ende der Burggasse, gehörte zu jenen wenigen Häuser, die bei erster Gelegenheit am 29. Mai wieder aufgesperrt haben; wenngleich fürs Erste nur von Freitag bis Sonntag. Das war auch deshalb möglich, weil Englert auf genügend Filme aus der Zeit vor dem Lockdown zugreifen konnte und – noch entscheidender – sich die Personalkosten bei einem mittelgroßen Einsaal-Kino in Grenzen halten. Englert hat auch zu jenen gehört, die beim Kunststaatssekretariat darauf gedrängt haben, dass die Kinos gleichzeitig mit anderen Kulturanbietern wieder die Pforte öffnen. Der Zustrom der cineastisch Ausgehungerten auf ihren mit bequemer neuer Bestuhlung ausgerüsteten Traditionssaal gibt ihr recht.

NEON

Auch der Film an diesem Abend, der vielfach prämierte Dokumentarfilm Honeyland von Tamara Kotevska und Ljubomir Stefanov, fügt sich in die Atmosphäre von Erwartung in Schutzmontur. Im Mittelpunkt steht die Imkerin Hatidze, sie und ihre beinahe blinde Mutter wirken wie Überlebende einer anderen Ära – heute heißt das Land Nordmazedonien. Hatidze züchtet Wildbienen, ihr Honig, sagt sie, sei besonders rein. Wenn man sie ohne Schutzausrüstung beim zärtlichen Umgang mit den Insekten beobachtet, will man ihr das nur zu gerne glauben.

Parabel über lokale Vorzüge

Honeyland erzählt allerdings auch eine Parabel, die nach der Erfahrung der Corona-Pandemie, in der viele Menschen die Vorzüge des Lokalen neu zu schätzen lernten, besonderen Nachhall erzeugt. Hatidzes Idylle wird im Film durch eine kinderreiche Siedlerfamilie gestört, die sich nicht an das Gebot des richtigen Maßes hält. Eigentlich mit Viehzucht betraut – und mit dieser Arbeit schon sichtlich überfordert –, steigt der Familienvater nun auch in die Honigproduktion ein. Die Folgen sind niederschmetternd, und Tamara Kotevska und Ljubomir Stefanov schonen die Zuschauer nicht, wenn sie zerstochene Kinder zeigen, oder, wie ein von Wildbienen besiedelter Baumstamm kurzerhand abgesägt wird.

Hatidze muss mithin einiges erdulden, die robuste Frau ist allerdings auch in Beharrlichkeit geübt. Am Ende ist man davon überzeugt, dass Filme wie Honeyland erst im Kino ihr innerstes Potenzial entwickeln. Sie werfen der Gesellschaft ein Bild von ihr selbst zurück. (Dominik Kamalzadeh, 10.6.2020)