Die deutschen Seenotretter von Mare Liberum kritisierten, der Verkehrsminister Andreas Scheuer sehe anscheinend "lieber Menschen im Mittelmeer ertrinken, als dass sie Europa lebend erreichen".

Foto: Mare Liberum

Berlin – Wegen neuer Sicherheitsvorschriften müssen mehrere deutsche Seenotrettungsschiffe vorerst im Hafen bleiben. Verschiedene Hilfsorganisationen kritisierten die Neuregelung am Dienstag als unverhältnismäßig. Die deutsche Regierung verhindere damit die Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer. Aus dem zuständigen Verkehrsministerium war bis zum späten Nachmittag keine Stellungnahme zu erhalten.

Durch eine kürzlich geänderte Verordnung werden Seenotretter rechtlich behandelt wie die Berufsschifffahrt, wodurch sie zusätzliche Auflagen erfüllen müssen.

Neue Sicherheitsanforderungen

Durch die vor einigen Wochen beschlossene Änderung der Schiffssicherheitsverordnung gelten mehrere Rettungsschiffe, die rechtlich bisher wie Sportboote oder Jachten behandelt wurden, künftig als Frachtschiffe oder Fahrgastschiffe. Das führt wiederum dazu, dass zahlreiche Sicherheitsanforderungen eingehalten werden müssen, die für sie bisher nicht galten – etwa in Bezug auf Rettungsutensilien oder Brandschutz. Das erfordert oft teure und aufwendige Umbaumaßnahmen, bevor die Schiffe wieder in See stechen dürfen.

Die Organisationen Mission Lifeline, Mare Liberum und Resqship sind deshalb verärgert. Axel Steier von Mission Lifeline warf der Regierung in Berlin vor, sie habe sich von den humanitären Werten verabschiedet. Hanno Bruchmann von Mare Liberum kritisierte, Verkehrsminister Andreas Scheuer sehe anscheinend "lieber Menschen im Mittelmeer ertrinken, als dass sie Europa lebend erreichen". Auch die Grünen halten vermeintliche Sicherheitsbedenken für vorgeschoben. Der Europaparlamentarier Erik Marquardt sprach von einem Vorwand, um humanitäre Hilfe an den europäischen Außengrenzen zu verhindern.

Mindestens 20 Migranten vor Tunesien ertrunken

Vor der Küste der tunesischen Stadt Sfax sind unterdessen die Leichen von 20 Migranten entdeckt worden. Den tunesischen Behörden zufolge kamen sie ums Leben, als sie über das Mittelmeer nach Europa flüchten wollten. Die Opfer stammten aus Ländern südlich der Sahara, sagte ein Sprecher der lokalen Ermittlungsbehörden am Dienstag.

Nach Angaben der tunesischen Küstenwache waren sie auf einem Boot, das am vergangenen Samstag mit mehr als 50 Menschen an Bord von der Ostküste Tunesiens Richtung Italien abgelegt habe und gesunken sei. In der Nacht auf Montag seien im Meer die ersten Leichen entdeckt worden. Die Suche nach Vermissten geht weiter.

Tunesien liegt unweit der Küste Siziliens und dient deswegen als Transitland für Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Europa wollen. Immer wieder ertrinken dabei Menschen. Nach Angaben der UN-Organisation für Migration (IOM) kamen seit 2014 bei der Flucht über das Mittelmeer mehr als 20.000 Flüchtlinge ums Leben. (APA, 9.6.2020)