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Olof Palme wurde 1986 in der schwedischen Hauptstadt erschossen.

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Staatsanwalt Krister Petersson – nicht zu verwechseln mit dem 1989 verurteilten und wieder freigesprochenen Christer Pettersson – gab am Mittwoch die Klärung des Falles bekannt.

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In Schweden wurde damit ein vorläufiger Schlusspunkt unter ein nationales Trauma gesetzt.

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Stockholm – Er gilt als Schweden größter Mordfall: Am Abend des 28. Februar 1986 wird der schwedische Premierminister Olof Palme auf dem Heimweg von einem Kinobesuch in Stockholm von einem Unbekannten erschossen. Der Täter schießt ihm zweimal aus nächster Nähe in den Rücken und kann unerkannt entkommen. Palmes Frau Lisbet erleidet einen Streifschuss und wird nur leicht verletzt. Palme stirbt im Krankenhaus. Der Sozialdemokrat war zu diesem Zeitpunkt seit knapp dreieinhalb Jahren wieder Ministerpräsident, nachdem er dieses Amt bereits von 1969 bis 1976 innegehabt hatte.

Seither wurde nach dem Mörder des beliebten Politikers gesucht. 1989 wurde ein Verdächtiger zwar verurteilt, in zweiter Instanz aber wieder freigesprochen. Die Tat gilt als kollektive Wunde und nationales Trauma in der traditionell offenen Gesellschaft Schwedens, um die sich zahlreiche Verschwörungstheorien rankten.

Der "Skandia-Mann"

Nun dürfte nach mehr als 34 Jahren der mutmaßliche Täter ausgemacht worden sein. Die neuen Erkenntnisse der Ermittler würden für eine Anklage ausreichen, weil der Mann aber bereits vor Jahren gestorben sei, könne keine Anklage gegen ihn erhoben werden, gab der mit den Palme-Ermittlungen betraute Staatsanwalt Krister Petersson am Mittwoch bekannt.

Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich um Stig Engström, den sogenannten "Skandia-Mann". Den Spitznamen erhielt er, weil er bei der gleichnamigen Versicherung nahe dem Tatort gearbeitet hatte. Er wurde als Zeuge in den frühen Tagen der Ermittlungen vernommen und schien erst in den vergangenen Jahren als Verdächtiger auf. Er dürfte offenbar einen persönlichen Hass auf den Premierminister gehegt haben und war der erste Zeuge am Tatort. Fahndungsleiter Hans Melander zufolge war er ein Waffennarr und hatte sich mehrfach feindlich über Ministerpräsident Palme geäußert. Engström starb im Jahr 2000.

Petersson übernahm im Jahr 2017 die Ermittlungen, nachdem zuvor schon mehrere aufsehenerregende Fälle unter seiner Leitung geklärt worden waren – etwa jener der Ermordung der schwedischen Außenministerin Anna Lindh im Jahr 2003.

Zufällige Namensgleichheit

Der angeklagte und wieder freigesprochene Verdächtige in den Achzigern trug übrigens einen sehr ähnlichen Namen wie der Staatsanwalt. Der damals in erster Instanz verurteilte Christer Pettersson war drogensüchtig und vorbestraft und wurde von Palmes Witwe als Täter identifiziert. Später mehrten sich Zweifel an seiner Schuld. In den Verhören, die direkt im Anschluss an den Mord durchgeführt wurden, konnte Lisbet Palme nämlich noch keine Angaben zum Gesicht des Mörders machen. Erst später erinnerte sie sich an Details. Es wurde vermutet, dass sie von Ermittlern beeinflusst wurde. In einem Berufungsverfahren wurde Petterson 1989 mangels einwandfreier Beweise wieder freigesprochen und erhielt 300.000 schwedische Kronen als Haftentschädigung. 2004 starb er.

Die Ermittlungen zu der Tat waren 1986 zunächst nur schleppend in Gang gekommen. Die Ermittler hatten im Laufe der Jahre unzählige Spuren und Hinweise verfolgt, die zu einzelnen Tatverdächtigen, aber unter anderem auch zur kurdischen PKK und zum südafrikanischen Geheimdienst geführt haben sollen.

Eine beliebte Verschwörungstheorie war auch, dass eine geheime Nato-Gruppe den Mord in Auftrag gab, weil Palme im Kalten Krieg der Sowjetunion gegenüber nicht stark genug auftrat und die atomare Aufrüstung der Nato bekämpfte.

Kritik an Behörden

Immer wieder standen auch die Ermittler im Zentrum der Kritik. Neben den Fehlern beim Prozess gegen Christer Pettersson wurden die Untersuchungen anscheinend von Beginn an nachlässig geführt, so lauteten jedenfalls die Vorwürfe.

Der Tatort wurde nicht ausreichend abgesperrt, die Projektile konnten so von Zivilisten gefunden werden, wichtige Spuren am Tatort gingen dadurch wohl verloren. Auch wurden die Verletzungen von Olof Palmes Witwe nie genauer untersucht. Spekulationen löste auch die Tatsache aus, dass die Stockholmer Polizei die Ermittlungen übernahm und nicht etwa eine Bundesbehörde.

Prägender Sozialdemokrat

Olof Palme prägte neben dem früheren Bundeskanzler Bruno Kreisky (SPÖ) und seinem deutschen Amtskollegen Willy Brandt das "Goldene Zeitalter" der Sozialdemokratie in Europa. Der schwedische Regierungschef setzte sich international für Abrüstung und Verständigung ein. Viele würdigen ihn als Architekten des modernen Schweden mit seinem ausgeprägten Wohlfahrtsstaat. Andere kritisieren ihn, weil unter seiner Ägide die Steuern erhöht wurden und die Gewerkschaften an Einfluss gewannen. Wieder andere werfen ihm seine kritische Haltung gegenüber den USA und deren Krieg in Vietnam sowie sein Eintreten für Wirtschaftssanktionen gegen das Apartheidsregime in Südafrika vor. Der Palme-Mord gilt als einer der größten Kriminalfälle Europas, die Mordermittlungen zählen zu den umfassendsten und teuersten der Welt.

Verständnis von Sohn

Verständnis zeigte am Mittwoch der Sohn Palmes, Marten. Zugleich stellte er sich im schwedischen Radio hinter die Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft, die den inzwischen verstorbenen Stig Engström als mutmaßlichen Mörder benannte.

"Ich glaube auch, dass Engström der Schuldige ist. Aber leider gibt es keinen richtig abschließenden Beweis, damit man mit hundertprozentiger Sicherheit sagen kann, dass er es gewesen ist", sagte er. (APA, mhe, 10.6.2020)