Wer ist hier entlanggegangen?
Foto: Kyung Soo Kim, Chinju National University of Education, Kyungnam, South Korea

Vor über 100 Millionen Jahren ist dort, wo heute Südkorea liegt, ein Wesen auf zwei Beinen durch den Schlamm gelaufen. Seine versteinerten Fußabdrücke wurden in der Jinju-Formation im Osten des Landes gefunden. Der Urheber dieser Spuren – und ähnlicher, die zuvor schon in anderen Regionen entdeckt worden waren – gab Rätsel auf, doch ein Team um Kyung Soo Kim von der Chinju National University of Education und Martin G. Lockley von der University of Colorado glaubt es nun gelöst zu haben.

Gut, wird halt ein Dinosaurier gewesen sein, werden jetzt die meisten denken. Immerhin war mit den fleischfressenden Theropoden eine ganze Großgruppe der Dinos ausschließlich zweibeinig unterwegs. Und andere – etwa die pflanzenfressenden Hadrosaurier – dürften sich zumindest zeitweise aufgerichtet haben, um einen Zwischensprint einzulegen.

Aber die hervorragend erhaltenen Fußspuren aus der Jinju-Formation passen zu keinem Dino. Die 18 bis 24 Zentimeter langen Abdrücke sind so detailscharf fossiliert, dass an manchen Stellen sogar das Hautmuster zu erkennen ist – wichtiger aber noch: ein klarer Fersenabdruck. Einen Dinosaurier glauben die Forscher daher ausschließen zu können, denn der wäre nur mit den Zehen aufgetreten. Stattdessen dürfte es ein entfernter Cousin gewesen sein – aber von welcher Seite der Familie?

Von der Zehenspitze bis zur Ferse haben die Spuren die Form des Fußes gut konserviert.
Foto: Kyung Soo Kim, Chinju National University of Education, Kyungnam, South Korea

Bislang wurden Fußspuren wie die aus Südkorea Flugsauriern zugeschrieben. Man hat für sie die Bezeichnung Batrachopus geprägt. Das ist nicht der Name des Tieres, das die Abdrücke hinterlassen hat, sondern der Spuren selbst – ein sogenanntes Ichno- oder Spurenfossil. Da die aus der Jinju-Formation ein paar "Schuhnummern" größer sind als frühere Funde, erhielten sie die Bezeichnung Batrachopus grandis und müssten von einem sehr großen Flugsaurier stammen.

Das ist im Prinzip noch kein Ausschlussgrund: Unter den Flugsauriern gab es echte Riesen – Hatzegopteryx etwa hatte eine Flügelspannweite von zwölf Metern und hätte aufgerichtet einer Giraffe in die Augen blicken können. Das Problem: Nach allem, was man aus Fossilien rekonstruieren konnte, bewegten sich die Flugsaurier am Boden auf vier Beinen – was mit ihren eingefalteten und doch weit abstehenden Flügeln einen ziemlich bizarren Anblick geboten hätte, wie dieses Video zeigt:

Paleo Studio

Die vermutlich irgendwann vor 125 bis 113 Millionen Jahren hinterlassenen Spuren aus Südkorea stammen jedoch nur von Hinterbeinen. Und es gibt auch keine Anzeichen dafür, dass sie mögliche Abdrücke der Vorderbeine überdeckt hätten. Hier ging ein echter Zweibeiner entlang, und das passt nicht zu einem Flugsaurier.

Kim und Lockley warten daher mit einer anderen Erklärung auf: Es sei ein Krokodil gewesen. Und der Größe seiner Fußabdrücke nach zu schließen müsste es etwa drei Meter lang gewesen sein.

Sah so der Urheber der Batrachopus-Fußspuren aus?
Illustration: Anthony Romilio, The University of Queensland, Brisbane, Australia

Krokodile sind zwar erst recht keine Tiergruppe, zu der einem das Wort Zweibeinigkeit sofort in den Sinn käme. Aber da darf man sich von den gegenwärtigen Verhältnissen nicht täuschen lassen. Alle heutigen Krokodile sehen einander äußerlich sehr ähnlich und gehen einer ebenso ähnlichen Lebensweise nach. Am ehesten sticht noch der Gavial mit seiner langen, dünnen Schnauze heraus, aber selbst der kann seine Verwandtschaft nicht verleugnen.

Das sah im Erdmittelalter noch anders aus. Man hat schon Fossilien von Krokodilverwandten gefunden, die Beine und Schwanz zu Flossen weiterentwickelt hatten und wohl dauerhaft im Wasser lebten. Aber auch solche, die auf langen Beinen herumliefen und ihrer Beute nicht nur auflauern, sondern auch hinterherjagen konnten. Ein auf zwei Beinen gehendes Krokodil wäre zwar bemerkenswert – aber nichts, was Paläontologen vor Schock vom Stuhl kippen ließe.

Mit ihrer Vielfalt an Formen, Größen und Lebensweisen machten die Krokodile des Erdmittelalters den Dinosauriern – mit denen sie ebenso weitläufig verwandt waren wie die Flugsaurier – streckenweise durchaus Konkurrenz. Die erste Geige spielten sie zwar nie, aber vor 66 Millionen Jahren zogen sie an ihren Cousins doch noch vorbei. Krokodile waren nahezu die einzigen Großtiere, die den Einschlag des Asteroiden und die darauffolgende Notzeit überstanden – auch wenn ihre Vielfalt seitdem nicht mehr dieselbe ist. (jdo, 12.6.2020)

Der Größenvergleich zwischen dem mutmaßlichen Batrachopus-Urheber und einem Menschen.
Illustration: Anthony Romilio, The University of Queensland, Brisbane, Australia