VP-Landes-Vize Josef Geisler (re.) steht seit seinem Luder-Sager in der Kritik.

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Innsbruck – Der Luder-Sager von Tirols Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Geisler (ÖVP) sorgt für politische Nachwehen. Innerhalb der schwarz-grünen Landeskoalition herrscht Verstimmung, nachdem der grüne Juniorpartner für kommende Woche einen Koalitionsausschuss einberufen hat. Es gebe noch "Erklärungsbedarf", begründete das der grüne Landessprecher Christian Altenweisl: "Dieser interne koalitionäre Rahmen ist das richtige Gremium, in dem wir das offen besprechen werden. Dafür sollten wir uns Ruhe und Zeit nehmen."

Am Mittwochabend einigten sich die Koalitionspartner nach fast sieben Stunden auf eine Erklärung, in der betont wird, dass es sich bei der Äußerung um eine "indiskutable Entgleisung" handle. Geisler sehe diesen Fehler ein. "Ein respektvoller und wertschätzender Umgang mit allen Menschen ist für die Koalition ein unverzichtbarer Bestandteil der gemeinsamen Arbeit und soll es auch bleiben", so Schwarz und Grün. Diskussionen um einen möglichen Rücktritt des Landeshauptmann-Stellvertreters sollen damit vom Tisch sein.

Zudem bekannte man sich zu "intensivierten Bemühungen zur weiteren Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen".

Dieses Video belegt die Beschimpfung Geislers. Neben ihm steht dabei Koalitionspartnerin Felipe, die im Nachhinein betonte, sie hätte sofort reagiert, hätte sie die Beleidigung vernommen.

Ungewöhnlich scharf fiel allerdings zuvor die Reaktion von Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) aus, der offenbar wenig Gefallen an der Idee des Koalitionsausschusses fand. In einem Statement an die Medien kommentierte er den Vorschlag der Grünen so: "Wir befinden uns in einer der herausforderndsten Situationen seit dem Zweiten Weltkrieg. Alles, was jetzt zählt, ist, dass wir diese Krise rasch hinter uns lassen und die Wirtschaftssituation und Arbeitslosigkeit in den Griff bekommen. Dafür braucht es Stabilität und Erfahrung in der Tiroler Landesregierung. Deshalb mein eindringlicher Appell an den grünen Koalitionspartner, in dieser Ausnahmesituation keine politischen Spielchen auf dem Rücken der Tiroler Bevölkerung zu spielen. Weder die Tiroler Bevölkerung noch ich hätten in dieser Krise Verständnis für Neuwahlen."

Opposition kritisiert Koalition wegen Streits heftig

Von Teilen der Opposition wurde das als offene Drohung Platters gewertet. Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer sagte in Richtung Platter, dieser sei ein "erbärmlich gescheiterter Landeshauptmann", dessen Neuwahldrohung eine "Dreistigkeit" darstelle. FPÖ-Obmann Markus Abwerzger attestierte dem Landeshauptmann, "schwer politisch angeschlagen und wohl auch amtsmüde" zu sein. Neos-Sprecher Dominik Oberhofer nannte Neuwahlen den "völlig falschen Weg" und sprach sich für "neue, junge, frische Köpfe" in der Landesregierung aus. Andrea Haselwanter-Schneider von der Liste Fritz mahnt die Regierungskoalition, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren, statt sich mit Neuwahlgeplänkel aufzuhalten: "Herr Platter hat genug zu tun und soll nicht drohen."

Platters Stellvertreter Geisler hatte vergangene Woche WWF-Gewässerschutzsprecherin Marianne Götsch bei einer Petitionsübergabe in Innsbruck vor laufender Kamera als "widerwärtiges Luder" beschimpft, weil diese nicht zuließ, dass er ihr ins Wort fällt – was Geisler mehrfach versucht hat. Nachdem der WWF die Aufnahme veröffentlicht hatte, folgten zwei halbherzige öffentliche Entschuldigungen Geislers. Zuerst versuchte er, den Sachverhalt zu verfälschen, und warf der Frau vor, ihn unterbrochen zu haben, worüber er sich derart aufgeregt habe, dass ihm die sexistische Beleidigung auskam. Später meinte er, Luder werde in Tirol "umgangssprachlich" und "nicht zwingend negativ" verwendet. Er versuchte den Begriff als aus der Jägersprache abgeleitet zu legitimieren. Erst am Dienstag wurde Geisler schließlich persönlich bei der Umweltschützerin vorstellig, um sich zu entschuldigen.

Zerreissprobe für Tiroler Grüne

WWF-Gewässerschutzsprecherin Götsch nahm Geislers Entschuldigung zwar "zur Kenntnis", sagte aber auch, dass sie ihn in seiner politischen Funktion für "nicht tragbar" halte. Auch Neos und Liste Fritz hatten einen Misstrauensantrag gegen den VP-Politiker angekündigt, der aber von SPÖ und FPÖ nicht unterstützt würde. Die regierende Volkspartei schloss einen Rücktritt Geislers stets aus. Landeshauptmann Platter ließ wissen, dass er sich niemanden aus seinem Regierungsteam schießen lasse. Sein Koalitionspartner, die Grünen, vermied das Wort "Rücktritt" ebenfalls tunlichst.

Für die Grünen ist die Causa ein Spagat zwischen Koalitionstreue und Selbstverständnis. Denn Landeshauptmann-Stellvertreterin und Landesparteichefin Ingrid Felipe stand direkt neben Geisler, als er die WWF-Mitarbeiterin Götsch beschimpfte. Er wandte sich sogar direkt an Felipe, als er den vielkritisierten Sager losließ. Diese behauptet aber, sie habe die Äußerung nicht gehört, weil sie sich in dem Moment ganz auf die Ausführungen Götschs konzentriert habe. Im Nachinein nannte Felipe Geislers Worte zwar "inakzeptabel", seinen Rücktritt wollte sie aber nicht einfordern. Das sei Aufgabe der Volkspartei, so die grüne Argumentation. (Steffen Arora, 10.6.2020)