Die Corona-Pandemie hat die Kulturbranche in New York City stark getroffen. Die Theater am Broadway, Carnegie Hall oder die großen Museen der Stadt sind seit März geschlossen. Die Metropolitan Opera hat vor kurzem angekündigt, erst ab 31. Dezember 2020 wieder mit Aufführungen zu beginnen. Für die Mitarbeiter der Oper und die Musiker des berühmten Met-Orchesters und Chores sind die finanziellen Auswirkungen verheerend. Die meisten wurden seit März nicht mehr bezahlt, wurden in ein sogenanntes "Furlough" geschickt. Das bedeutet, dass sie ihr Gehalt verloren haben, aber zumindest weiterhin die Gesundheitsversicherung vom Arbeitgeber gedeckt wird. Die Künstler leben nun von Arbeitslosenunterstützung. Auch die New Yorker Philharmoniker planen erst ab Jänner 2021 eine Wiederaufnahme ihrer Konzerte. 

"Die Ungewissheit in der momentanen Situation ist wirklich schwierig. Alle meine Konzerte wurden storniert oder auf ungewisse Zeit verschoben," meint Francesca, eine in Brooklyn lebende Pianistin und Klavierlehrerin. "In der Zwischenzeit unterrichte ich weiter virtuell meine Klavierschüler. Glücklicherweise arbeite ich auch an einer Musikschule, die trotz der Krise die Lehrer weiter unterstützt und uns ein bisschen Stabilität gibt. Keiner weiß, wie es weitergehen soll."

Das Österreichische Kulturforum New York hat in dieser für Künstler so schwierigen Situation das Projekt "This is Us" gestaltet, in Kooperation mit in New York City und New Jersey lebenden österreichischen Musikern. Das Musikvideo basiert auf den jüngsten Eindrücken aus der Stadt, will eine Botschaft der Hoffnung und Solidarität senden. Die Musiker bieten eine persönliche musikalische und visuelle Interpretation der aktuellen Krise, indem sie eine neue Version eines klassischen Musikstücks, Mozarts "Eine Kleine Nachtmusik", mit ihren eigenen zeitgenössischen Kompositionen verbinden. 

Im Anschluss an das Video folgen Porträts einiger in New York lebender österreichischer Künstler und ihre Berichte, wie die Corona Krise sie persönlich betrifft. Auch zu den Demonstrationen der letzten Wochen beziehen sie Stellung.

ACFNY - Austrian Cultural Forum New York

"Der Virus hat meine Familie getrennt"

Daniela Bauer, in Wien geboren und aufgewachsen, lebt seit 15 Jahren in New York. Sie ist Soulmusikerin. Im vom Österreichischen Kulturforum produzierten Video ist sie die Sängerin. Sie hat an der Berklee School of Music in Boston, Massachusetts, studiert und hat mit international renommierten Musikern und Produzenten zusammengearbeitet. Im September 2012 veröffentlichte sie ihre EP "Just The Way You Are".

"Der Coronavirus hat meine Familie, bestehend aus Mann und Kind, auseinandergerissen. Da ich Teilzeit in einem Krankenhaus arbeite und mein Mann Diabetes hat, sind er und unser Kind mit guten Freunden Mitte März nach Upstate NY geflüchtet. Ich vermisse meine Familie sehr, bin aber dankbar, dass ich Arbeit habe. All meine Livegigs sind für den Rest des Jahres abgesagt. Viele meiner Freunde und Kollegen sind jetzt arbeitslos. Viele Musiker in New York leben hauptsächlich von Veranstaltungen. Und das heißt, dass im Moment in der Hinsicht kein Einkommen möglich ist, da es keine Konzerte gibt und voraussichtlich länger keine geben wird.

Wir dachten uns im April, dass diese rapide Todesrate, die der Virus verursachte, wohl das schlimmste sei, das passieren konnte. Ich denke, jeder in New York hat eine persönliche Geschichte von einem Familienmitglied, Bekannten, Mitarbeiter, der den Virus hatte und hoffentlich überlebte.

Dann wurde George Floyd ermordet und es wurde klar, dass wir noch düstere Wochen vor uns haben. Die Ungerechtigkeit vom Ursprung der USA kam in voller Wucht hoch. Denn der Aufschrei der Demonstranten in New York, lautet nicht nur 'I can't breathe', aber auch 'Defund the Police' und 'No Justice no Peace'. In der Verzweiflung wächst auch langsam die Hoffnung, dass die massiven Demonstrationen zu Veränderungen führen werden. Demonstrationen in Brooklyn waren in der letzten Woche friedlich, sogar nach dem Ausgehverbot um 20 Uhr. Es hat mich mit Stolz erfüllt zu lesen, dass Tausende von Demonstranten auch in Wien inspiriert waren, für ihre marginalisierten und meist immigrierten Mitbürger zu demonstrieren und Gleichberechtigung zu fordern. Möge unsere Energie weltweit friedlich verbleiben, aber nicht abschwellen, bis wir Gesetze geändert haben."

This Is Us - Künstler
Foto: Robert Sinnhuber, @ro_sihu
Demonstration in Brooklyn, an der Daniela teilgenommen hat.
Foto: Daniela Bauer
Demonstrationen in Brooklyn
Foto: Daniela Bauer

Von Irdning nach New York

Rose Bartu, ursprünglich aus Irdning in der Steiermark, zog mit 22 Jahren nach NYC, um an der New School Jazzgeige zu studieren. Sie setzt sich in ihrer Kunst für soziale Gerechtigkeit ein.

"NYC hat mich sehr geprägt. Ich bin mit vielen Menschen, Kulturen und verschiedenen Musikrichtungen in Berührung gekommen. Viele Jahre habe ich als Geigerin in einer Baptisten Kirche in Brooklyn gespielt. Ich hatte die Freiheit, mich immer wieder neu als Künstlerin zu rekreieren. In meiner eigenen Musik schreibe ich oft über soziale Themen, die mich bewegen. 'Freedom' ist ein Song, den ich am 4. Juli, dem amerikanischen Staatsfeiertag, zu schreiben begonnen habe. Im Süden des Landes haben an diesem Tag einige Kirchen der Schwarzen gebrannt. Veröffentlicht habe ich den Song am Jahrestag der berühmten 'I have a Dream'-Rede von Martin Luther King. Am selben Tag habe ich auch beim 'Minister's March for Justice', organisiert von Rev. Al Sharpton, mitgespielt. Nun ist der Song der 'Theme Song' meiner Organisation 'Freedom Around The World' geworden, mit der wir die Menschenrechts-Deklaration mit den sogenannten ConcertTalks verbreiten.

Covid-19 betrifft so viele Menschen. Wir Kunstmachende sind nicht ausgeschlossen. NYC ist ein Hotspot. Ich kenne einige persönlich, die sehr krank geworden sind oder auch gestorben sind. Der Rassismus und die sozialen Ungerechtigkeiten verstärken sich in den USA. Das macht betroffen. Derzeit ist NYC im Stillstand. Ich hatte an einer Universität in Brooklyn Geigen- und Gesangsunterricht gegeben, aber auch das ist im Moment nicht möglich. Wir müssen neue Wege finden. Letztes Jahr habe ich zwei Mal einen Online-Kurs für Songwriters geleitet, sowohl für die, die bereits Lieder geschrieben haben, als auch diejenigen, die schon immer Songs schreiben wollten, aber nicht wussten, wie sie damit anfangen sollen: Freedom through Songwriting. Das hat sehr großen Spaß gemacht und ich freue mich darauf, ihn wieder anzubieten!

Ich habe auch eigene Songs, die ich noch nicht veröffentlicht habe. Auch das ist heuer geplant. Als Musikerin musste ich schon immer kreativ sein, um mein Leben und meine Träume zu finanzieren. So sehe ich auch jetzt diese Krise als eine Chance, mich neu zu orientieren. Jeder kommt im Moment mit dem in Berührung, was uns wirklich wichtig ist. Zu der derzeitigen Krise fällt mir ein wunderschöner Satz von Martin Luther King, jr. ein: 'The ultimate measure of a man is not where he stands in moments of comfort and convenience, but where he stands at times of challenge and controversy.'"

Rose Bartu
Gegen Rassismus und Polizeigewalt demonstrierender Junge in New York. Bin ich als Naechster dran?
Foto: Robert Sinnhuber, @ro_sihu

Ein ausgeprägter Sinn für Community

Richard Jochum ist bildender Künstler aus Österreich und kam 2003 nach New York, um an einem Kunstprojekt zu arbeiten. Er ist Mitglied der Elisabeth Foundation for the Arts und unterrichtet Kunst an der Columbia University. 

"Im Gegensatz zu Berlin, das ich als kühl empfand und wo man als Österreicher Witze erklären muss, fand ich New York sofort unerhört kontaktfreudig. Die Leute, die von New York angezogen sind, sind meist sehr ambitioniert, haben Ideen, die sie umsetzen wollen, und kommen aus allen Ecken der Welt. Diese Vielfalt trifft auch auf die Kunstszene zu. Es gibt hier einfach alles und eine Offenheit, die ich aus Österreich so nicht kannte. New Yorker haben, was mir sofort gefiel, einen sehr guten Humor. Weil New Yorker legendär wenig Geduld oder Zeit für Job-Interviews haben, ist es eine Stadt, die oft unerwartete Möglichkeiten bietet. Als ein Künstler mit einem Doktorat wurde ich bald nach meiner Ankunft von der Columbia Universität angeworben, wo ich inzwischen eine Professur für Kunst und Kunstpädagogik habe. Dass man als Künstler von New York aus sehr gut international arbeiten kann, hat New York für mich früh zu einem idealen Basislager gemacht. Die Galerie, die meine Arbeit in Asien vertritt, habe ich zum Beispiel durch einen Ateliersbesuch kennen gelernt. 

So wie überall ist die Covid-19-Epidemie auch hier ein harter Schlag. New York war ja groß in der Presse als ein Zentrum der Ansteckung. Die Universität ist geschlossen; alle Kurse sind bis auf weiteres online. Die Elisabeth Foundation in Midtown Manhattan beim Times Square, wo ich ein Atelier habe, ist ebenfalls geschlossen. Die Leitung der Foundation hat angeboten, für die Zeit der Quarantäne keine Miete zu verlangen, das hilft natürlich den Künstlern, die besonders vom Virus getroffen sind. Die Aussicht ist trübe. Viele Galerien haben dauerhaft geschlossen, niemand verkauft. Im Gegenteil, viele Künstler machen derzeit bei Benefiz-Veranstaltungen mit, geben Arbeiten für Online-Auktionen und gute Zwecke, um Sozialprojekte oder den Kulturbereich zu unterstützen, oder Leute, denen es noch übler geht. Umgekehrt weiß ich von vielen Initiativen, die versuchen, Künstlern durch Emergency-Funding zu helfen; meist durch Privatgeld. Was mich an den USA überrascht hat, ist der ausgeprägte Sinn für Community, den es hier gibt. Das wird in Europa oft übersehen oder nicht verstanden.

Ein paar Wochen nach dem Lockdown hat die Atelier-Leitung begonnen, virtuelle Ateliersbesuche und Kontakt zwischen Künstlern anzubieten, die das möchten. Wir alle versuchen, das Beste aus der Situation zu machen und kreativ zu sein. An Ausstellungen ist immer noch nicht zu denken, es sei denn virtuell. Online tun sich manche überraschende Möglichkeiten auf für Zusammenschlüsse mit Leuten von anderen Ländern. Das Internet, so sehr es uns auch an die Vereinzelung erinnert, bringt uns auf neue Weise zusammen. Ich hatte vor kurzem noch die Hoffnung, dass wir dabei sind, mit der Situation umgehen zu lernen und dazu gehört auch, nicht zu weit in die Zukunft zu denken. Die letzte Wochen allerdings mit den Ausschreitungen und Protesten sind sehr schmerzhaft. Da werden gerade viele alte Wunden der Bürgerrechtsbewegung der 60er Jahre neu aufgerissen. Die amerikanische Gesellschaft ist seit Jahren unerhört polarisiert und die derzeitige Regierung nützt das leider auf sehr zynische Weise aus, um sich damit und mit de facto Chaos an der Macht zu halten. Wie ich von Künstlerfreunden weiß sind bei den jüngsten Ausschreitungen auch einige Galerien geplündert worden." (Stella Schuhmacher, 18.6.2020)

Rock Candy (Mongolia): 5. Land Art Biennale Mongolia 2018.
Foto: Richard Jochum
Twenty Angry Dogs: Menschen bellen wie zornige Hunde. Installationen in Suedkorea, Instanbul, Wien.
Foto: Richard Jochum
Umfrage: Wandinstallation und Mail-Art Projekt. Nach der Wahl von Trump entwickelt.
Foto: Richard Jochum

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