Android 11 heißt einfach nur "Android 11". Einen Codenamen gibt es nicht mehr.

Foto: Proschofsky / STANDARD

Eigentlich wollte Google die nächste Generation seines mobilen Betriebssystems wie gewohnt im Rahmen der Keynote der Entwicklerkonferenz I/O vorstellen. Doch dann kam die Coronakrise und mit ihr die Absage der I/O. Also wurde die Beta um ein Monat verschoben – und zwar ins Netz. Dort sollte es dann aber Anfang Juni zumindest einen großen Online-Event geben. Doch dann kam die nächste Hürde: Angesichts der laufenden Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus in den USA befand es Google als unpassend groß eine neue Softwareversion zu zelebrieren. Also gibt es die neue Softwareversion nun mit deutlich weniger Brimborium.

Die Beta ist da

Google hat die erste Beta für Android 11 veröffentlicht. Diese folgt auf vier Developer Previews, die bereits in den vergangenen Monaten bereitgestellt wurden. Mit der neuen Version habe die Software jetzt eine Qualität erreicht, die auch für interessierte Nutzer gut genug ist, streicht Google heraus. Insofern erleichtert man auch die Installation erheblich. User mit dem passenden Smartphone können einfach über eine Webseite dem Betaprogramm beitreten, anschließend bekommen sie die Testversion an ihr Gerät geliefert.

Neue Features

Wie gewohnt geht mit der Beta aber auch noch einmal ein Schwall an neuen Funktionen einher. Google umschreibt den Fokus von Android 11 dabei mit den Begriffen "Menschen, Kontrolle und Privatsphäre". Aber der Reihe nach.

Kontakte im Fokus

Mit der Kategorie "People" meint Google, dass der Fokus des User Interfaces künftig stärker um Kontakte organisiert werden soll – und die wichtigsten davon stärker in den Vordergrund stellen soll. Also etwa Messenger-Konversationen mit einzelnen Freunden eine höhere Priorität zuweist als irgendwelchen Push-Nachrichten von Webseiten. Konkret äußert sich dies unter anderem darin, dass Messenger-Konversationen im Benachrichtigungsbereich über allen anderen Notifications dargestellt werden.

Ein zweites Puzzlestück in diesem Umbau sind jene "Bubbles", die manche schon als experimentelles – also verstecktes – Feature von Android 10 kennen werden. Wer will kann Messaging- und Chat-Konversation als kleine Icons dauerhaft über dem gesamten Smartphone-Geschehen anzeigen. Das Ganze erinnert insofern an Facebooks Chat Heads, nur eben dass es hier allgemeine Schnittstellen gibt, die alle Messaging-Apps benutzen können. Insofern werden dieses Diskussionen dann auch an diesem Ort zusammengeführt.

Weitere Verbesserungen gibt es in Android 11 bei der Sprachsteuerung: EIn neues System kann – direkt am Gerät – Bildschirminhalte analysieren und erzeugt für alles Labels, damit diese mit der Stimme direkt gesteuert werden können.

Kontrolle

Neu in der Beta sind Schnittstellen zur schnellen Steuerung unterschiedlicher Geräte. Gedacht ist dies nicht zuletzt für den Bereich Smart Home. Apps können hier Buttons zum Schnellzugriff anbieten, die dann zentral auf einem neuen Screen versammelt werden, der beim Langdruck auf den Power-Button angezeigt wird – neben den üblichen Ausschaltoptionen.

Über Buttons im Power-Menü können künftig flott Smart-Home-Geräte gesteuert werden.
Grafik: Google

Überarbeitet wurden zudem die Steuerungselemente für die Medienwiedergabe, um schneller zu zeigen, auf welchem Gerät die Ausgabe gerade stattfindet – und dies bei Bedarf rasch zu ändern. Zudem werden nun sämtliche laufenden Medienwiedergaben in einer Art Karussell zusammengefasst – egal ob lokal oder an andere Geräte gestreamt. Durch seitliche Wischbewegungen kann dann auch leicht auf zuvor gestoppte Titel und Apps zurückgekehrt werden.

Privatsphäre

Die Verbesserung der Privatsphäre von Android war schon bei den vergangenen großen Updates ein Schwerpunkt der Entwicklung. Mit Android 11 gibt es hier wieder einige wichtige Neuerungen. Dazu gehören Einmalberechtigungen, wie man sie schon vom aktuellen iOS kennt. Die Nutzer können also Apps Zugriff auf sensible Informationen und Fähigkeiten künftig nur temporär geben.

Eine weitere Verbesserung im Berechtigungssystem: Wird eine App länger nicht benutzt, werden ihr künftig automatisch sämtliche Berechtigungen entzogen. Damit will man verhindern, dass die User Apps "vergessen", die im Hintergrund noch immer Zugriff auf sensible Funktionen haben. Beim nächsten Start der App muss diese sich die Berechtigungen dann also frisch holen. Dass dies für die User allzu nervig wird, ist aber nicht zu befürchten, die offizielle Dokumentation spricht von "Monaten" als Zeitraum, bevor die Berechtigungen zurückgesetzt werden.

Bereits mit der ersten Developer Preview hat Google angekündigt, dass es weitere Verschärfungen für den dauerhaften Zugriff auf die Standortberechtigung geben wird. Apps, die hier auch dauerhaft im Hintergrund diese Daten sammeln wollen, müssen sich künftig eine explizite Genehmigung dafür von Google einholen. Angesichts der aktuellen Lage hat Google aber die Frist für die Umstellung auf dieses neue System nun ein paar Monate verschoben – und zwar ins Jahr 2021.

Mehr Updates direkt von Google

Eines der ambitioniertesten Projekte von Android 10 war das sogenannte "Project Mainline". In dessen Rahmen hat Google gewisse Android-Teile als Module herausgelöst, die seitdem direkt von dem Softwarehersteller auf dem laufenden gehalten werden – und zwar auf sämtlichen Android-Smartphones, die bereits mit Android 10 ausgeliefert wurden, unabhängig vom Hersteller.

Mit Android 11 baut Google dieses System nun deutlich aus. Es gibt also jetzt zwölf neue Module für dieses offiziell "Google Play System Updates" genannte Konzept. Damit werden dann künftig etwa die Runtime ART, die für die Ausführung sämtlicher Programme zuständig ist, oder auch diverse WLAN- und Telefonie-Komponenten direkt von Google geliefert. Auch die Schnittstellen für Maschinenlernen hält Google auf diesem Weg unabhängig vom Hersteller auf dem Laufenden. Und für Entwickler wichtig: Die Debugging-Komponente ADBD zählt auch zu diesen Modulen.

Apropos: Eine weitere Neuerung in Android 11 ist die Möglichkeit Smartphones drahtlos zu debuggen. Auch soll ADB künftig bei der Installation großer Apps wesentlich flotter sein, was für Entwickler bei laufenden Tests ebenfalls von nicht zu unterschätzender Relevanz ist.

Foto: Google

Download

Die Android 11 Beta 1 ist ab sofort für alle Google-Smartphones ab dem Pixel 2 zu haben. Der einfachste Weg ist wie gesagt online dem Betaprogramm beizutreten, die Daten auf dem Gerät bleiben dabei erhalten. Gleichzeitig warnt Google aber ausdrücklich davor, dass es in so einer Testversion noch diverse Bugs geben kann. Insofern sollte man sich also vorher genau überlegen, ob man auf die Beta wechseln will, bei der Rückkehr zu Android 10 werden dann nämlich sehr wohl alle Daten gelöscht. Alternativ zum Beta-Programm hat Google auch wieder Factory Images und Full System OTAs veröffentlicht, um die neue Version manuell aufzuspielen. Auch ein Online-Flash-Tool zur einfacheren Installation gibt es, das allerdings in unseren Tests bisher nie funktioniert hat.

Was dabei auch auffällt: Im Gegensatz zu den Vorjahren gibt es keine Smartphones anderer Hersteller, auf denen die Beta läuft. Dies stellt allerdings kein grundlegendes Umdenken dar. Google versichert, dass weitere Devices in den kommenden Wochen dem Betaprogramm hinzugefügt werden sollen.

Zeitplan

Mit der Beta geht auch ein wichtiger Punkt im Releasezyklus einher: Google erklärt damit die Programmierschnittstellen für Android 11 stabil, das heißt auch, dass Entwickler ihre Apps bereits auf die neuen Funktionen anpassen können, ohne befürchten zu müssen, dass sich hier noch etwas Grundlegendes ändert. Zudem ist es ab sofort erlaubt, Apps, die Android 11 als Zielversion adressieren in den Play Store hochzuladen.

Der weitere Zeitplan sieht die Veröffentlichung von zwei weiteren Betas im Juli und August vor. Danach ist dann schon die stabile Version von Android 11 geplant, es ist also davon auszugehen, dass es diese wieder – wie schon im Vorjahr – Anfang September geben wird. (Andreas Proschofsky, 10.06.2020)