Neun Milliarden Euro und trotzdem 22.000 Jobs weniger? Es regt sich Kritik an der Staatshilfe für die Lufthansa.

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Berlin/Frankfurt – Angesichts des drohenden Abbaus von 22.000 Vollzeitstellen bei der schwer angeschlagenen AUA-Mutter Lufthansa ist das Rettungspaket der deutschen Bundesregierung für den Konzern in die Kritik geraten. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter warf der Großen Koalition vor, das Paket enthalte weder Sicherheiten für die Beschäftigten noch harte Vorgaben zum Klimaschutz.

Scharfe Kritik an der Ausgestaltung der Staatshilfe kam auch von der Linkspartei. Die Lufthansa hatte die Zahl der abzubauenden Stellen am Mittwochabend nach einem Gespräch mit Gewerkschaftsvertretern genannt.

"Fatale Auswirkungen"

Grünen-Chef Hofreiter sprach am Donnerstag von "fatalen Auswirkungen" des neun Milliarden Euro schweren staatlichen Rettungspakets: Die Große Koalition solle das Geld der Steuerzahler dafür einsetzen, das Unternehmen "sozial und ökologisch umzubauen und ein nachhaltiges und zukunftsfähiges Geschäftsmodell zu etablieren", forderte er. Die Bundesregierung solle angesichts der aktuellen Entwicklungen erneut mit der Lufthansa über das Rettungspaket verhandeln.

Linken-Parteichef Bernd Riexinger erklärte, die Bundesregierung habe es in der Hand gehabt, den nun drohenden Stellenabbau bereits im Vorfeld zu vermeiden und die Vergabe von Staatshilfe an "klare, regulative Bedingungen" zu knüpfen. Zugleich appellierte er an die Lufthansa, Jobs zu erhalten. "Neun Milliarden Euro Steuergelder dürfen nicht zum Freibrief für Kündigung werden."

Am Mittwochabend hatten sich Vertreter der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) sowie der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation (Ufo) zum zweiten sogenannten Tarifgipfel mit Unternehmensvertretern getroffen. Im Anschluss teilte die Lufthansa mit, nötig sei eine "signifikanten Senkung der Personalkosten".

Minus 100 Flugzeuge und entsprechend weniger Personal

"Wir gehen davon aus, dass die Flotte der Lufthansa Group nach der Krise rund 100 Flugzeuge weniger zählen wird", erklärte der Konzern. Entsprechend weniger Piloten und Flugbegleiter werden gebraucht. Hinzu kämen Überhänge in der Verwaltung und im Drittkundengeschäft der Servicegesellschaften. Betriebsbedingte Kündigungen will die Fluggesellschaft durch Kurzarbeit und Krisenvereinbarungen aber möglichst vermeiden.

Ufo-Geschäftsführer Nicoley Baublies erklärte nach dem Treffen, die 22.000 Vollzeitstellen entsprächen 26.000 Arbeitsplätzen im Konzern. Dies könne "niemandem gefallen". Er forderte einen Kündigungsschutz für die Mitarbeiter aller Airlines des Konzerns. Das sind rund 138.000 Beschäftigte.

Die Pilotengewerkschaft VC hatte vor dem Treffen ihr Angebot bekräftigt, die Piloten könnten auf bis zu 45 Prozent ihres Gehalts verzichten. Das bedeute Kosteneinsparungen von etwa 350 Millionen Euro. VC-Präsident Markus Wahl erklärte nach dem Treffen, das Gespräch habe gezeigt, "dass wir gemeinsam eine Lösung finden wollen und werden". Wahl mahnte, eine Auslagerung von Arbeitsplätzen zu schlechteren Bedingungen "wäre völlig inakzeptabel".

Einigung bis 22. Juni

Die Lufthansa ist von der Corona-Krise schwer getroffen; Konzernchef Carsten Spohr rechnet erst in mehreren Jahren mit einer Normalisierung des Angebots und hat bereits eine tiefgreifende Umstrukturierung angekündigt.

Der Staat hilft der Airline mit einem Rettungspaket im Umfang von neun Milliarden Euro, dem die Aktionäre aber noch zustimmen müssen. Die Hauptversammlung ist am 25. Juni. Bis zum 22. Juni wollen die Tarifpartner daher "konkrete, personalkostensenkende Maßnahmen" vereinbaren, um "den Weg für den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze" zu ebnen, wie die Lufthansa mitteilte. (APA, AFP, 11.6.2020)