Die Arbeitsmarktkrise hat in den öffentlichen Debatten bisher eine untergeordnete Rolle gespielt.

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Die Kurve flacht ab, der Trend sei eindeutig "ein positiver": Mit diesen Worten beschrieb Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) diese Woche die neuen Entwicklungen am Jobmarkt. In der Tat: Auf den ersten Blick gibt es gute Nachrichten. Die Zahl der Arbeitslosen ist Anfang Juni noch einmal etwas zurückgegangen, die Kurzarbeit wird weniger in Anspruch genommen. Doch diese Statistiken können täuschen, weil sie eine andere Wahrheit verdecken: Die Situation am Arbeitsmarkt verschärft sich mit jeder Woche weiter, solange die Krise andauert.

Das hat viel mit der Struktur der Verwerfungen zu tun. 492.000 Menschen sind aktuell arbeitslos gemeldet, das sind um 168.000 mehr als vor einem Jahr im Juni. Aus vergangenen Krisen wissen wir, dass Menschen den Sprung zurück umso schwerer schaffen, je länger sie keinen Job finden. Die Arbeitslosigkeit "verfestigt" sich, wie Experten sagen. Das hat viele Gründe: Arbeitslosigkeit kann körperlich krank und depressiv machen. Wer lange keinen Job findet, hat bei Vorstellungsgesprächen schlechtere Karten.

Schwierige Rückkehr

Das trifft alle Betroffenen, besonders benachteiligt sind Ältere, also Menschen über 50. In dieser Gruppe war der Anstieg der Arbeitslosigkeit mit plus 44 Prozent besonders groß. Ältere sind oft auch Diskriminierung ausgesetzt – zu langsam, zu teuer, so das Vorurteil mancher Unternehmer. Für eine große Personengruppe wird es mit jeder Woche schwieriger zurückzukommen.

Dennoch spielt die Arbeitsmarktkrise in den öffentlichen Debatten bisher eine untergeordnete Rolle. Während über Fälle von Unternehmen, die sich beklagen, dass Hilfen zu langsam ankommen, intensiv diskutiert wird, bleibt die Debatte über die soziale Lage von Betroffenen ein Randthema.

Dabei gibt es ein Ungleichgewicht. Die Regierung hat viele Hilfspakete für Selbstständige und Unternehmen aufgelegt. Dann gibt es eine äußerst großzügig gestaltete Kurzarbeitsregelung, durch die hunderttausende Jobs gerettet wurden. Hinzu kommen Umsatzsteuersenkungen, wie aktuell für die Gastronomie und Kultur, mit denen nicht nur Unternehmen geholfen, sondern auch der Konsum angekurbelt werden soll. Das alles kostet zwar Milliarden, macht aber Sinn: Wenn die Wirtschaft untergeht, hätte niemand etwas davon. Parallel fällt aber auf, dass Arbeitslose nicht von zusätzlichen Hilfen profitieren. Ihnen steht jener Beitrag aus der Arbeitslosenversicherung zu, den sie sich vorher finanziert haben. Eine Ausnahme bilden nur höhere Familienleistungen, die sie wie andere beantragen können.

Die fehlende Lobby

Einzige Erklärung dafür: Dieser Gruppe fehlt eine Lobby. Die SPÖ hat eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes zwar gefordert, zentrales Thema war das aber auch bei ihr nie. Kurz wurde die Debatte über eine temporäre Erhöhung des Arbeitslosengeldes in der Koalition lauter, Vizekanzler Werner Kogler kündigt nun eine Zahlung von 150 Euro für Arbeitssuchende für die Monate Juli bis September an. Das kann bestenfalls ein erster Schritt sein.

Langfristig braucht Österreich eine aktivere Arbeitsmarktpolitik. Die beschriebenen Hürden bei der Rückkehr auf den Arbeitsmarkt lassen sich nicht bei allen Menschen aus dem Weg räumen, aber kleiner machen. Das wird nicht nur über Qualifikation gehen. Ein zusätzlicher Weg wäre, wieder mehr in staatlich geförderte Jobs für Arbeitssuchende zu investieren. Das schafft wie die Kurzarbeit Perspektiven und kostet insgesamt einen Bruchteil davon. (András Szigetvari, 14.6.2020)