Corona hat der Stromwirtschaft arg zugesetzt. Am Ausbau erneuerbarer Energien führe dennoch kein Weg vorbei.

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Die heimische Stromwirtschaft ist von der Corona-Krise arg gebeutelt worden und wird wohl noch länger daran laborieren. Und das angesichts eines umfangreichen Investitionsprogramms, das keinen Aufschub duldet, soll das von der Regierung vorgegebene Ziel von 100 Prozent erneuerbaren Energien bis 2030 erreicht werden. Zum Vergleich: Derzeit stammen rund 72 Prozent des heimischen Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen, Großwasserkraft inklusive.

Dass die Branche trotz verschärfter Rahmenbedingungen am 100-Prozent-Ziel festzuhalten gedenkt, hat der scheidende Präsident von Österreichs Energie, Leonhard Schitter, im Gespräch mit dem STANDARD bestätigt. "Wir brauchen aber einen klaren rechtlichen Rahmen, wohin die Reise geht", sagte Schitter am Freitag. Am Montag wählt der Hauptausschuss von Österreichs Energie einen Nachfolger für Schitter, Chef der Salzburg AG. Als Favorit für die Nachfolge an der Spitze der Interessenvertretung gilt der designierte Chef des Verbunds, Michael Strugl.

Rasch ein Gesetz

Der Beschluss des lange diskutierten und wegen der Corona-Pandemie neuerlich verzögerten Erneuerbaren Ausbau Gesetzes (EAG) sollte laut Schitter eher früher als später erfolgen: "Es sind nur noch zehn Jahre bis 2030, die Zeit drängt." Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) hat zugesichert, dass das EAG Anfang 2021 in Kraft treten wird.

Die etablierten Energieversorger wünschen sich zur Unterstützung des Ausbaus erneuerbarer Energien ein Marktprämienmodell, bei dem die Förderung technologiespezifisch und nicht über alle Bereiche hinweg erfolgt. Und es soll atmen – sprich: Wenn der Marktpreis höher ist, soll es weniger Förderung geben, wenn er tiefer ist wie gerade eben, entsprechend mehr. Klar ist jedenfalls, dass fixe Einspeisetarife, wie sie derzeit von den Stromverbrauchern über die Ökostrompauschale zu bezahlen sind, der Vergangenheit angehören sollen.

Lücke bei Ökostromfinanzierung

Zumindest 2021 wird die Stromrechnung für Österreichs Haushalte jedenfalls nochmals länger, nachdem bereits heuer für Strom im Schnitt mehr zu bezahlen ist als 2019. Grund ist der Mechanismus, wie der Ökostromausbau finanziert wird. Der Förderbeitrag wird ex ante für das Folgejahr auf Basis von Prognosen festgelegt. Da in diese Prognosen die zu erwartenden Erlöse aus dem Verkauf des geförderten Stroms durch die Ökostromabwicklungsstelle OeMAG einfließen, spielt der angenommene Marktpreis eine wesentliche Rolle bei der Festsetzung des Ökostromförderbeitrags. Für heuer wurde ein Marktpreis von 47 Euro je Megawattstunde (MWh) unterstellt.

Tatsächlich lagen die Preise im Großhandel im heurigen Mai im Jahresmittel mit rund 20 Euro je MWh um 54 Prozent unter den Durchschnittspreisen vom Mai 2019. Das geht aus einer von der Austrian Energy Agency im Auftrag von Österreichs Energie gemachten Studie hervor. Bei einem Marktpreis von 32 Euro je MWh im Jahresmittel, in dessen Richtung sich die Großhandelspreise inzwischen hinbewegt haben, würde sich eine Finanzierungslücke von rund 180 Millionen auftun. Diese müsste 2021 über höhere Ökostromförderbeiträge geschlossen werden.

Der Ökostrombeitrag für einen Durchschnittshaushalt mit 3500 Kilowattstunden Stromverbrauch im Jahr ist nicht zuletzt wegen der noch unter Schwarz-Blau beschlossenen Sonderförderung für Fotovoltaik, Kleinwasserkraft, Windkraft und Biomasse von 70 Euro 2019 auf heuer über 90 Euro gestiegen. 2021 könnten 100 Euro oder mehr fällig werden. Die Stromrechnung setzt sich, grob betrachtet, zu je einem Drittel aus dem reinen Strompreis, Netzentgelt sowie Steuern und Abgaben zusammen. Letzteres umfasst auch den Ökostrombeitrag.

Frühere Investitionen machten sich bezahlt

Durch vergangene Investitionen habe die E-Wirtschaft mit ihren rund 17.000 Mitarbeitern jedenfalls dazu beigetragen, dass Österreich auch am Höhepunkt der Corona-Krise am Laufen gehalten werden konnte. "Sonst hätte Österreich anders ausgeschaut", ist Schitter überzeugt. Weitere Investitionen, nicht zuletzt in die Digitalisierung seien somit ein Gebot der Stunde, auch wenn die Bilanzen der Stromfirmen zumindest heuer tiefe Schrammen aufweisen werden. (Günther Strobl, 13.6.2020)