Linux Mint gibt sich kampfbereit.

Grafik: Linux Mint

Es ist ein schwerer Vorwurf, den die Entwickler von Linux Mint in einem aktuellen Blogeintrag gegenüber einem seit langem befreundeten Projekt erheben: Softwarehersteller Canonical wolle sich eine Art Hintertür in Ubuntu und allen darauf basierenden Distributionen einrichten – zu denen auch Linux Mint gehört. Dies werde man aber nicht zulassen, gibt sich Projektleiter Clement Lefebvre kämpferisch, und kündigt an gewisse Ubuntu-Teile künftig zu blockieren.

Snap statt deb

Was Lefebvre hier so erbost, ist im Kern ein Streit um Paketformate. Canonical forciert zunehmend die Eigenentwicklung Snap, mit der man zumindest für größerer Anwendung das klassische "deb"-Format ablösen will. Dass der neue Ansatz dabei durchaus seine Meriten hat, ist weitgehend unumstritten. Solche Pakete liefern üblicherweise die notwendigen Abhängigkeiten mit, um unabhängiger vom darunter laufenden System sein – also auch selbst dann noch problemlos laufen, wenn sich an der darunterliegenden Software grob etwas ändert. Zudem können sie isoliert laufen, bieten also – zumindest theoretisch – auch eine höhere Sicherheit.

Ubuntu preist Snap gerne als distributionsübergreifendes Paketformat an. Und tatsächlich sorgt man auch selbst dafür, dass Snaps auf einigen anderen Distributionen laufen. Deren Gegenliebe ist aber endenwollend, von sich aus unterstützt sonst praktisch niemand Snaps. Der Grund dafür: Snaps werden exklusiv über einen einzigen App Store ausgeliefert. Und dieser steht nicht nur unter Kontrolle von Canoncial, der Code dahinter ist proprietär – ein absolutes No-Go für viele Akteure in der Welt der freien Software. Statt Snap unterstützen die meisten Distributionen entsprechend lieber den Konkurrenten Flatpak – und dazu gehört auch Linux Mint.

Verschärfung

Durch Änderungen in Ubuntu 20.04 zwinge Ubuntu alle auf der eigenen Software basierenden Distributionen nun aber auch Snaps zu verwenden – oder versuche das zumindest, beklagt nun Lefebvre. Das Problem ist, dass Ubuntu einzelne Desktop-Pakete nun generell nur mehr als Snap-Paket anbietet, dazu gehört etwa der Browser Chromium. Wer diesen haben will, muss nun also auch Snap in Kauf nehmen – und genau hier sieht der Entwickler die erwähnte Hintertür. Canonical habe hier die volle Kontrolle. Die Nutzer hätten in etwa so viel Einfluss wie bei proprietärer Software. Im Endeffekt sei Snap damit genauso schlimm wie viele kommerzielle Lösungen, nur mit dem Unterschied, dass es auch noch als Root läuft, und installiert wird, ohne die Nutzer zu fragen.

Als Konsequenz kündigen die Entwickler eine Blockade an: Das kommende Linux Mint 20 werde die Installation von snapd generell unterbinden. Zudem werde Chromium als ein Leerpaket geliefert, bei dem den Nutzern mitgeteilt wird, wo sie ihren Browser sonst erhalten.

Reaktion

Softwarehersteller Canonical reagiert auf die Vorwürfe betont zurückhaltend. Einerseits verstehe man einige der Probleme von Linux Mint, versichert Community Manager Alan Pope gegenüber ZDNet. Gleichzeitig sei es aber eben so, dass die Wartung von großen Projekten wie Chromium viel Zeit in Anspruch nehme, und man neben dem Snap-Pakete nicht auch noch debs pflegen können. Auf Fragen zur proprietären Natur des Snap-Stores und der Zwangsanbindung an einen einzelnen App Store geht Pope dabei allerdings nicht ein – und diese beiden Punkte sind wohl für die meisten Kritiker das zentrale Problem. (Andreas Proschofsky, 14.06.2020)