Bild nicht mehr verfügbar.

Deutschlands Wirtschaftsminister Peter Altmaier und sein Staatssekretär Ulrich Nussbaum bei der Pressekonferenz mit Curevac-Mehrheitseigner Dietmar Hopp.

Foto: Reuters

Berlin – Im Rennen um einen Corona-Impfstoff beteiligt sich der deutsche Staat am Tübinger Biotechnologie-Unternehmen Curevac. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte am Montag, dass die staatseigene Förderbank KfW um 300 Millionen Euro rund 23 Prozent der Anteile übernehme. Ziel sei, dem Unternehmen von Mehrheitseigner Dietmar Hopp finanzielle Sicherheit zu geben.

Der Staat wolle keinen Einfluss auf geschäftspolitische Entscheidungen nehmen, sagte Altmaier. Die Beteiligung sei zugleich industriepolitisch von hoher Bedeutung. Wichtige Forschungsergebnisse und Technologien würden in Deutschland und Europa gebraucht. Hintergrund sei auch das Konjunktur- und Zukunftspaket der deutschen Regierung in der Corona-Krise.

Tafelsilber nicht verkaufen

"Mit dieser Beteiligung wollen wir CureVac finanzielle Sicherheit geben." Das sei auch industriepolitisch von hoher Bedeutung, "denn diese wichtigen Forschungsergebnisse und Technologien brauchen wir in Deutschland und Europa", betonte Altmaier. Er habe bereits klargemacht: "Wir verkaufen unser Tafelsilber nicht." Die deutsche Regierung hatte erst Ende Mai beschlossen, dass der Staat im Gesundheitsbereich bei Beteiligungen von Investoren außerhalb der EU mehr Veto-Möglichkeiten bekommen soll.

"Das Interesse der US-Regierung vor ein paar Wochen hat dem Bund klar gemacht, dass es bei Firmen wie CureVac um eine kritische Infrastruktur geht. Man will damit verhindern, dass wichtige Produkte und Know-how aus Deutschland und Europa abfließen", sagte ein Insider.

400 Millionen Dosen

Curevac setzt bei seinen Forschungsarbeiten – wie auch der US-Biotech-Konzern Moderna und die Mainzer Biotech-Firma Biontech – auf Impfstoffe auf Basis der sogenannten Boten-RNA (mRNA). Sie soll den menschlichen Zellen die Information zur Produktion von Proteinen und damit zur Bekämpfung der Krankheitserreger vermitteln. Biontech hatte im April als erstes Unternehmen in Deutschland grünes Licht für eine klinische Studie mit einem Corona-Impfstoffkandidaten erhalten.

Am Wochenende hatten Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande eine Vereinbarung mit dem Pharmakonzern Astra Zeneca bekanntgegeben, mit der sich die EU-Staaten bis zu 400 Millionen Dosen eines in Entwicklung befindlichen Corona-Impfstoffs sichern.

Curevac-Mehrheitseigentümer Hopp erklärte, er freue sich, dass auch von staatlicher Seite die Bedeutung der Biotechnologie erkannt und diese Schlüsselindustrie über die frühe Forschung hinaus unterstützt werde.

Vorsitzender der Monopolkommission sieht "potenzielle Gefahr"

"Eine potenzielle Gefahr für den freien Wettbewerb", sieht der Vorsitzende der Monopolkommission, Achim Wambach, in der Staatsbeteiligung an Curevac. "Unternehmen, an denen der Bund beteiligt ist, gewinnen schon allein durch diese Tatsache einen Vorteil", sagte der Ökonom dem "Mannheimer Morgen" (Dienstag-Ausgabe) laut Vorabbericht. Dies gelte sowohl mit Blick auf bessere Finanzierungsbedingungen als auch auf die Regeln der jeweiligen Märkte, die häufig der Bund setze – und damit der Kapitalgeber.

Wenn man den Standort Deutschland stärken wolle, sei es außerdem wichtiger in Bildung und Infrastruktur zu investieren, sagte Wambach. "Eine Beteiligung an individuellen Unternehmen ist für das Ziel, die Schlüsselindustrien zu unterstützen, nicht sinnvoll."

Curevac war im März in die Schlagzeilen geraten, weil die US-Regierung angeblich Interesse an der Gesellschaft hatte. US-Präsident Donald Trump soll der Firma einem Medienbericht zufolge einen hohen Betrag angeboten haben, um sich deren Arbeit exklusiv zu sichern. Das hatten die Tübinger allerdings zurückgewiesen.

Weltweit gab es nach Angaben des Verbandes forschender Pharma-Unternehmen vom Mai mehr als 120 Impfstoffprojekte, von kleinen Firmen wie Biontech aus Mainz oder Curevac in Tübingen bis zu Konzernen wie Sanofi und Glaxo Smith Kline. Doch wann eine Impfung zugelassen wird, weiß derzeit niemand.

Pandemie verhilft Impfstoffforschung zum Höhenflug

Die Pandemie hat der Impfstoffentwicklung in der Pharmaindustrie einen nie dagewesenen Schub verliehen. "Wir haben über 160 Firmen, die an einem Impfstoff arbeiten, diese Menge an unterschiedlichen Ansätzen haben wir bislang noch nicht gesehen", sagte Siegfried Bialojan, Leiter des Life Science Center der Beratungsgesellschaft EY am Montag. Einer aktuellen Studie von EY zufolge hat die Corona-Krise innerhalb kürzester Zeit 161 Impfstoff- und 242 therapeutische Wirkstoffkandidaten hervorgebracht, über 700 Tests wurden entwickelt oder bereits auf den Markt gebracht. "Man kann schon eine gewisse Hoffnung haben, dass aus dieser Menge von Ansätzen etwas hervorgeht."

Gleichzeitig sei es noch ein langer Weg hin zu einem wirksamen Impfstoff. "Nach unserer Einschätzung werden 97 Prozent der derzeit erprobten Impfstoffe nicht das Licht der Welt erblicken", warnte der EY-Transaktionsexperte Alexander Nuyken. Er verwies darauf, dass etwa seit Jahrzehnten erfolglos an einem Malaria-Impfstoff geforscht werde. Im Gegensatz dazu werde nun bei Corona aber mit einer gemeinsamen Anstrengung in der Pharmaindustrie geforscht, die es so noch nie gegeben haben. Mit ersten Produkten rechnet Nuyken gleichwohl frühestens Ende 2020. Dabei sei noch nicht absehbar, welcher Impfstoffkandidat das Rennen machen werde. (APA, 15.6.2020)