"Für Rollstuhlfahrer unbenutzbar" – dieses Gefahrenzeichen würde für einen Teil der geförderten Mietwohnungen in Salzburg Realität werden, wenn das Maßnahmengesetz für Kleinwohnungen kommt.

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"Das ist nicht unser Gesetz, das ist das Gesetz von Landesrat Josef Schwaiger. Und wir haben auch nur der Begutachtung, nicht aber dem Gesetz zugestimmt." Viel deutlicher, als dies der Wohnbausprecher der grünen Landtagsfraktion, Josef Scheinast, im STANDARD-Gespräch macht, kann man zum Koalitionspartner ÖVP kaum mehr auf Distanz gehen. Er, Scheinast, werde jedenfalls seiner Fraktion empfehlen, das vorliegende Gesetz so nicht zu beschließen.

Ursprünglich wollte Raumordnungslandesrat Josef Schwaiger die bis 2025 befristeten Sonderregelungen für "kostenreduzierte Wohnbauten" bei geförderten Miet-Kleinwohnungen bereits Anfang Juli vom Landtag verabschieden lassen. Ob sich das angesichts der Zweifel beim grünen Koalitionspartner noch ausgeht, ist mehr als fraglich.

Österreichweiter Protest

Die Salzburger Grünen dürfte der österreichweite Protest von Behindertenorganisationen gegen die geplante Abkehr von der verpflichtenden Barrierefreiheit im geförderten Mietwohnbereich ziemlich getroffen haben. Immerhin haben prominente Behindertenvertreter wie etwa Monika Schmerold vom Verein "knack:punkt – Selbstbestimmt Leben" bei den Gemeinderatswahlen in der Stadt Salzburg 2018 noch auf einem prominenten Listenplatz für die Grünen kandidiert.

"Menschenverachtend"

"Die geplanten Maßnahmen sehen wir als menschenverachtend und als Spaltung der Gesellschaft in jene, die kostenreduziert wohnen müssen, und in jene, die das auch müssen, aber zusätzlich aus eigener Betroffenheit oder der eines Angehörigen auf Barrierefreiheit angewiesen sind", sagt Schmerold zum Gesetzesentwurf. Nach diesem wäre – wie berichtet – die Barrierefreiheit für geförderte Miet-Klein- und Kleinstwohnungen nur noch im Parterre gegeben gewesen.

Unterstützung erhielten die Behindertenvertreter und -vertreterinnen auch aus der Stadt Salzburg. Sozialstadträtin Anja Hagenauer (SPÖ) sprach in einem vielbeachteten ORF-Interview vom "Sparen an der falschen Stelle". Denn: "Wenn man nicht barrierefrei baut, spart man ein Prozent der Baukosten. Man schließt aber 20 Prozent der Bevölkerung aus." Statt beim Lift solle man eher bei der Tiefgarage einsparen, betont Hagenauer: "Für das Auto ist im Gesetz weiter alles vorgesehen, aber bei Menschen mit Behinderungen spart man."

Grünen-interne Proteste

Hat Scheinast vor wenigen Tagen via Facebook den Gesetzesentwurf noch wortreich verteidigt, so spricht er jetzt von einer "seltsamen Verquickung von Raumordnung, Baurecht und privatrechtlichen Verträgen" im Entwurf, dessen Begutachtungsfrist diesen Montag abgelaufen ist.

Hinter diesem Gesinnungswandel steht auch der Druck aus den eigenen Reihen. So hat beispielsweise die langjährige Landtagsabgeordnete und Bundesrätin Heidi Reiter einen schriftlichen Einspruch gegen das Maßnahmengesetz formuliert. Reiter wendet sich nicht nur gegen die "Aufweichung der BauStandards" zulasten der Barrierefreiheit, sondern warnt auch vor einer Aushöhlung der Raumordnungsbestimmungen, da das Sondergesetz unter bestimmten Bedingungen wie etwa Siedlungsnähe und Anbindung an den öffentlichen Verkehr Wohnbauten im Grünland erlaube.

"Uralte, wirkungslose ÖVP-Rezepte"

Es handle sich dabei um "uralte, wirkungslose ÖVP-Rezepte", sagt Reiter. Sie fordert statt dessen "qualitätsvolle Nachverdichtung" und meint zum Thema Wohnungsnot: "Dem dringenden Wohnbedarf stehen doppelt so viel Leerstände gegenüber."

Auch die Nationalratsabgeordnete und ehemalige Salzburger Landeshauptmannstellvertreterin Astrid Rössler habe sich mit einer Einwendung gegen das geplante Maßnahmengesetz gestellt, berichtet Wohnbausprecher Scheinast. Geht es nach den Grünen, dann dürfte vom ÖVP-Gesetzesentwurf wenig überbleiben: Das verpflichtende Überbauen von neuen Supermärkten sei aber schon sinnvoll, sagt Scheinast. (Thomas Neuhold, 16.6.2020)