Wiktor Babariko leitete 20 Jahre lang die Belgazprombank in Minsk.

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Neuer Wahlkampfskandal in Weißrussland: In der GUS-Republik ist ein Prozess gegen mehrere Topmanager der Belgazprombank angelaufen, eines Tochterunternehmens des kremlnahen Energieriesen Gazprom. In der vergangenen Woche liefen die ersten Hausdurchsuchungen. Inzwischen sind 15 Manager der Bank in Haft. Ihnen werden Betrug und Geldwäsche vorgeworfen.

Als Beweisstücke wurden bereits 150 Bilder im Wert von geschätzt mindestens 20 Millionen US-Dollar beschlagnahmt, darunter Werke von Marc Chagall und Chaim Soutine. Laut dem weißrussischen Staatsfernsehen hatten die Bankiers geplant, die Bilder eilig außer Landes zu bringen.

Die Belgazprombank wurde bis zum Mai von Wiktor Babariko geleitet, der nun Amtsinhaber Alexander Lukaschenko bei der anstehenden Präsidentenwahl herausfordern will. Babariko sprach demzufolge von einer staatlichen Raubkampagne mit dem Ziel, Lukaschenkos Gegner einzuschüchtern.

Pressesprecherin dementiert

Lukaschenkos Pressesprecherin Natalja Eismont dementierte hingegen einen politischen Hintergrund: "Es wurden große Geldsummen, Aktien, Gold und Bilder sichergestellt. 15 Personen wurden festgenommen", sagte sie. Mehrere Verdächtige hätten bereits Geständnisse abgelegt und dabei auch Babariko belastet.

Auch Lukaschenko selbst meldete sich zu Wort. Seinen Worten nach erfolgte die Attacke auf die Bank nicht, weil Babariko sich zur Wahl gestellt habe. Sondern umgekehrt: Babariko sei in den Wahlkampf gezogen, um einer Verfolgung wegen Wirtschaftsverbrechen zu entgehen, die Ermittlungen liefen nämlich bereits seit 2016.

Noch ist Babariko selbst auf freiem Fuß, doch das könnte sich bereits in Kürze ändern. Dabei ist Babariko nicht der erste Herausforderer Lukaschenkos, der Schwierigkeiten mit dem Gesetz bekommt. Bereits im Mai wurde Sergej Tichanowski, ein populärer Blogger, den mehrere Experten zum größten Herausforderer Lukaschenkos erklärt hatten, wegen Beteiligung an unerlaubten Meetings festgenommen. Tichanowski, dem so die Möglichkeit auf eine Kandidatur genommen wurde, versuchte an seiner statt Ehefrau Swetlana aufstellen zu lassen.

Babariko sammelt Unterstützungserklärungen

Bei der Sammlung von Unterstützungsunterschriften hatte jedoch zuletzt Babariko die Nase vorn. Eigenen Angaben nach hatte er 300.000 Unterschriften gesammelt – bei 100.000 für eine Bewerbung nötigen.

Der Bankier, der zuvor immerhin 20 Jahre die Belgazprombank (gehört zu je 49,8 Prozent Gazprom und der Gazprombank) in Minsk geleitet hatte, wandelte sich im Wahlkampf zu einem scharfen Kritiker Lukaschenkos. Nach der Attacke auf die Bank könnte er allerdings schneller, als ihm lieb ist, aus dem Wahlkampf ausscheiden. "Ein Szenario, wonach weder Tichanowski noch Zepkalo (Waleri Zepkalo, ein langjähriger Vertrauter Lukaschenkos, der ihn zuletzt aber ebenfalls scharf kritisierte, Anm.) noch Babariko als Kandidaten registriert werden, sondern nur Lukaschenko und Statisten übrig bleiben, ist sehr wahrscheinlich", prognostizierte der russische Politologe Jewgeni Mintschenko.

Doch hat die Attacke auf die Belgazprombank auch den latenten russisch-weißrussischen Konflikt ins Schlaglicht gerückt. Im Kreml herrscht seit Jahren Unzufriedenheit mit dem westlichen Nachbarn. Lukaschenko fordert zwar einerseits billiges Gas, lässt aber aus Moskauer Sicht Loyalität gegenüber Russland vermissen. So hat Minsk weder die von Moskau protegierte Unabhängigkeitserklärung der von Georgien abtrünnigen Kaukasusrepubliken Abchasien und Südossetien anerkannt noch die Zugehörigkeit der Krim zu Russland.

Moskau äußert sich offiziell nicht

Lukaschenko selbst hatte in den vergangenen Wochen immer wieder angedeutet, dass Moskau auf seine Ablösung setzt. Nach der Überstellung der Belgazprombank unter die Aufsicht der weißrussischen Zentralbank erneuerte Minsk seine politischen Vorwürfe und versprach, Beweise für die Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes vorzulegen.

Moskau hingegen hat sich zur jüngsten Attacke offiziell nicht geäußert. Doch Gazprom-Vertreter nannten die Quasi-Übernahme der Bank bereits illegal. Ab Juli droht ein Ende der russischen Gaslieferungen nach Weißrussland – und damit weiteres Ungemach.

Am 19. Juni ist eigentlich der Besuch des russischen Außenministers Sergej Lawrow in Minsk vorgesehen. Das derzeitige Schweigen Moskaus deutet darauf hin, dass der Kreml den Konflikt nicht weiter aufheizen, sondern hinter den Kulissen lösen will. Ob das gelingt, wird spätestens am 24. Juni klar. Dann wird in Moskau die ursprünglich für den 9. Mai geplante Siegesparade abgehalten. Es bleibt abzuwarten, ob Lukaschenko dann neben Wladimir Putin auf der Ehrentribüne Platz nehmen wird. (André Ballin aus Moskau, 15.6.2020)