"Wir müssen Schwangere schon vor der Geburt besser über das Stillen informieren", sagt Yvonne Gruber-Traxler.

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Schwangere werden mit der Verantwortung, sich über das Stillen zu informieren, oft alleingelassen, findet die Hebamme Yvonne Gruber-Traxler. Bei Startschwierigkeiten – etwa, wenn der Milcheinschuss nach der Geburt ein paar Tage auf sich warten lässt – wird schnell zum Fläschchen gegriffen. Dadurch wird die Milchproduktion nicht ausreichend angeregt und das Stillen häufig aufgegeben.

Besonders oft trifft dieses Problem Schwangerschaftsdiabetikerinnen, rund zehn Prozent aller werdenden Mütter in Österreich. Ein erhöhter Blutzuckerspiegel beim sogenannten Typ-4-Diabetes zählt zu den häufigsten Begleiterscheinungen von Schwangerschaften. Der verzögerte Einsatz des Milchflusses kann ein Nebeneffekt von Typ-4-Diabetes sein.

Gerade dann sei das Stillen wichtig, sagt Gruber-Traxler. Es reduziert das Risiko für die Mutter, in Zukunft an Typ-2-Diabetes zu erkranken. Und auch für das Kind bedeutet die Muttermilch eine Vorbeugung in Bezug auf kindliches Übergewicht und eine zukünftige Diabeteserkrankung.

Kolostrum einfrieren

"Wir müssen Schwangere schon vor der Geburt besser über das Stillen informieren", sagt Gruber-Traxler. Um dazu beizutragen, entwickelte sie im Rahmen ihres Hebammenstudiums an der Fachhochschule Gesundheitsberufe Oberösterreich in Linz eine Broschüre zu dem Thema. Dafür erhielt die 35-Jährige den mit 10.000 Euro dotierten Preis des Nutricia-Forums für Muttermilchforschung, das den wissenschaftlichen Austausch zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz fördern will.

In der Broschüre schildert sie unter anderem, wie die Brust für die Anregung der Milchproduktion massiert werden soll und wie bereits ab der 38. Schwangerschaftswoche Kolostrum, die Vormilch, in Spritzen gefüllt werden kann, um es für die Zeit nach der Geburt einzufrieren. Die Anleitung soll es Frauen möglich machen, die Tipps selbst umzusetzen.

Der Forschungsprozess für die Erstellung der Studie wurde von sieben Teilnehmerinnen begleitet, alle von ihnen Patientinnen des Kepler-Universitätsklinikums in Linz, wo Gruber-Traxler heute im Kreißzimmer arbeitet. Hier soll die Informationsbroschüre in Zukunft an betroffene Schwangere verteilt werden.

Mütter unterstützen

Anstoß für ihre Studie hatte ein Erlebnis im Nachtdienst gegeben: Eine Frau mit Schwangerschaftsdiabetes war für die Geburt ins Krankenhaus gekommen und war aufgrund von Empfehlungen, die sie im Internet gelesen hatte, völlig falsch informiert. "Während einer Schwangerschaft gibt es genug, um das man sich kümmern muss. Es wäre wichtig, die Beratung für Diabetikerinnen zu standardisieren", so Gruber-Traxler. Schon während ihrer Schulzeit im Gymnasium in Linz wollte sie Hebamme werden, um Mütter besser zu unterstützen.

Zusätzlich zu der Broschüre will sie ein Video produzieren – schließlich sei es einfacher, etwas nachzuahmen, das man auf Bewegtbildern sehen kann. Auch soll das Video mit Untertiteln versehen werden, um auch nichtdeutschsprachige Mütter zu erreichen. "Fehlende Information soll für keine Frau der Grund sein, nicht zu stillen", sagt Gruber-Traxler. Schließlich habe es einen langfristigen positiven Effekt auf die Gesundheit von Mutter und Kind. (Alicia Prager, 20.6.2020)