Der gute Draht zwischen Bundeskanzler Sebastian Kurz und Präsident Donald Trump schützt Österreich nicht vor einer US-Untersuchung seiner Digitalsteuer.

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Für diskretes Vorgehen ist die derzeitige US-Regierung nicht bekannt. Aber genau diesen Weg hat der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer eingeschlagen, als er Anfang Juni ohne großes Aufsehen eine Untersuchung von national eingeführten Digitalsteuern gemäß Section 301 des US Trade Act 1974 (Section-301-Untersuchung) initiierte. Auf der Liste jener Staaten, die nun untersucht werden, befindet sich auch Österreich. Ein Ruhmesblatt ist das nicht.

Der Stein des Anstoßes ist das österreichische Digitalsteuergesetz 2020, das im Herbst 2019 verabschiedet wurde, nachdem ein EU-Richtlinienentwurf zur Besteuerung von digitalen Dienstleistungen – etwas weiter gefasst als die österreichische Digitalsteuer – unter der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs Anfang 2019 gescheitert war. Seit 1.1.2020 ist es nunmehr in Kraft.

"Beitrag zur Steuergerechtigkeit"

Den erläuternden Bemerkungen zum Gesetz ist Großes zu entnehmen: so soll damit ein "Beitrag zur Steuergerechtigkeit" geleistet werden, indem die "digital economy" mit bestimmten Dienstleistungen hierzulande steuerlich erfasst wird. Das Ergebnis: Österreich erhebt eine Steuer von fünf Prozent auf Entgelte, die für Onlinewerbedienstleistungen gezahlt werden. Die seit Jahren existente Werbeabgabe wurde somit auf Onlinewerbung ausgedehnt. Gerechnet wurde und wird mit einem Abgabenvolumen von bis zu 20 Millionen Euro – eine Zahl, die von Beginn an und gerade jetzt, in Zeiten von milliardenschweren Corona-Hilfspaketen, klein wirkt.

Die Krux an der Sache ist jedoch der persönliche Anwendungsbereich des Gesetzes. Denn erfasst werden nur Unternehmen, die zwei Voraussetzungen erfüllen: 1) Sie müssen einen weltweiten Gesamtumsatz von über 750 Millionen Euro erzielen und 2) 25 Millionen Euro davon müssen auf den Online-Werbeumsatz in Österreich entfallen. Diese Kriterien gelten zwar uneingeschränkt und damit auf den ersten Blick diskriminierungsfrei; faktisch wurde und wird davon ausgegangen, dass die Steuer jedoch nur auf ausländische Unternehmen – konkret wohl nur US-Onlineunternehmen wie Google und Facebook – Anwendung findet.

Zahlreiche andere Staaten

Mit der Entscheidung, eine solche Steuer einzuführen, stand Österreich nie allein da – der Blick in die Veröffentlichung der Section-301-Untersuchung zeigt dies deutlich auf. Denn neben Österreich sind von der Untersuchung auch Brasilien, die Tschechische Republik, Indien, Indonesien, Italien, Spanien, die Türkei, das Vereinigte Königreich und die EU umfasst. Ein Teil dieser Länder – Indien, Indonesien, Italien und die Türkei – hat Digitalsteuern in der einen oder anderen Form bereits eingeführt; zumeist sind dies ebenfalls umsatzbasierte Steuern auf ausgewählte digitale Dienstleistungen. Der andere Teil, darunter die EU, überlegt hingegen noch die Einführung einer solchen Steuer.

Die Aufnahme der EU mag auf den ersten Blick verwundern, hat diese doch das Projekt Digitalsteuer zuletzt auf Eis gelegt. Die von der EU-Kommission Ende Mai vorgelegte post-Covid recovery strategy hat dieses Projekt, neben anderen Steuerplänen, aber wieder aufs Tapet gebracht. Dies unter dem Vorbehalt, dass die OECD-Arbeiten zur Anpassung der internationalen Steuerrechtsordnung an die digitalisierte Wirtschaft keine zeitnahen Lösungen bringen.

Frankreich hat Steuer ausgesetzt

Auch Frankreich kennt eine solche Steuer und ebenso die Section-301-Untersuchung. Bereits im Sommer 2019, kurz nach der Einführung der französischen Digitalsteuer, haben die USA ein solches Verfahren gegen Frankreich eingeleitet. Gedroht wurde damals mit Strafzöllen auf französische Produkte, etwa Wein, Champagner und Käse. Geworden ist aus dem Verfahren eine Zusage aus Paris, die Steuer vorläufig nicht einzuheben. Dies wiederum unter dem Vorbehalt, den Alleingang fortzuführen, falls die OECD-Arbeiten nicht fortschreiten.

Was bedeutet die Einleitung der aktuellen Section-301-Untersuchung für Österreich? Das Verfahren dient in einem ersten Schritt der Feststellung von unangemessenen und diskriminierenden Handlungen (acts, policies and practices), die den US-Handel belasten oder einschränken. In einem zweiten Schritt geht es um die Ermittlung und Umsetzung von (verhältnismäßigen) Vergeltungsmaßnahmen (retaliation measures). Solche Maßnahmen können dabei zum Beispiel die Kündigung von bestehenden Handelsvereinbarungen, die Einführung von Zöllen oder die Vereinbarung zur Aussetzung der unangemessenen Handlungen sein.

Kommentare bis Mitte Juli

Im aktuellen Verfahrensstadium wird die Öffentlichkeit, darunter wohl auch die möglichen betroffenen Steuerpflichtigen, um Kommentare bis Mitte Juli ersucht; gleichzeitig treten die USA in Verhandlungen mit den betroffenen Staaten. Kommt die Untersuchung zu dem Ergebnis, dass die österreichische Digitalsteuer unangemessen und diskriminierend ist, bleibt abzuwarten, welche Form die Vergeltungsmaßnahmen einnehmen und – im Falle von Zöllen – welche österreichischen Produkte erfasst werden.

Führt man sich wieder das prognostizierte Abgabenvolumen von 20 Millionen Euro vor Augen, fragt man sich, wofür das Ganze dient – zumal in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zusätzliche Belastungen der heimischen Wirtschaft, die teilweise sogar doppelt betroffen sein könnte, wenn die Digitalsteuer auf diese abgewälzt wird, eher vermieden werden sollten. (Katharina Kubik, 17.6.2020)