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Wien – Seit einigen Jahren gebe es in der Bundeshauptstadt "eine Entwicklung, die sich sehr negativ auf die Qualität der Krisenabklärung auswirkt", heißt es im Jahresbericht 2019 der Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft, der dem STANDARD vorliegt.

In Wien werden Kinder und Jugendliche von drei bis 18 Jahren, wenn sie in ihrer Familie nicht mehr ausreichend geschützt sind, mit einer zeitlichen Befristung in Krisenzentren untergebracht. Bei der Unterbringung in den Zentren werden allfällige Probleme mit Sozialpädagogen gelöst, und es wird abgeklärt, ob die Minderjährigen wieder in die Familie zurückkönnen. Ist das nicht möglich, wird eine langfristige Unterbringung gesucht.

"Unerfahrene" Sozialpädagogen

Doch in diesen Krisenzentren würden häufig "unerfahrene" Sozialpädagogen arbeiten, die "erst unmittelbar ihre Ausbildung abgeschlossen haben". Erfahrene Mitarbeiter würden "nicht mehr in diesem Arbeitsfeld tätig sein wollen", so die Anwaltschaft.

Als möglichen Grund führt der Bericht die hohe Zahl an stationären Abklärungsverfahren an, weshalb die früher "sehr hohen Standards hinsichtlich der erforderlichen Berufserfahrung für die stationäre Krisenabklärung aufgeweicht wurden". Die Mitarbeiter würden "nahezu täglich an die Grenzen ihrer Belastbarkeit" stoßen.

Bereits im Jahr 2018 sei eine Stellungnahme der Anwaltschaft an die sozialpädagogischen Regionen Wiens ergangen. Darin wurde auf den "eklatanten Systemmissstand durch den permanenten Überbelag" in den Krisenzentren hingewiesen, heißt es im Bericht.

Auch habe man schon damals erklärt, dass "bei einer derart hohen Auslastung sozialpädagogische Abklärungsstandards nicht mehr eingehalten werden können". Verändert habe sich seither "wenig".

Plätze werden ausgebaut

Die Situation in den Krisenzentren der MA 11 sei darauf zurückzuführen, dass "oftmals immer schwierigere Kinder", teils mit psychiatrischen Diagnosen, versorgt werden müssen, heißt es in einer Stellungnahme der MA 11 zum STANDARD. Man baue die Zahl an sozialtherapeutischen und sozialpsychiatrischen Plätzen deutlich aus (plus 40 Plätze 2020) um die Wartezeiten auf Nachfolgeplätze zu verkürzen.

Um die Ausbildungsqualität der Sozialpädagogen zu erhöhen, müssen zudem alle Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen seit September letzten Jahres eine eineinhalbjährige Ausbildung (Qualifizierungsprogramm) durchlaufen, "um besser auf die Herausforderungen der Kinder- und Jugendhilfe" reagieren zu können, heißt es von der MA 11 weiter. Während dieser Zeit werden die Sozialpädagogen nur im Beidienst eingesetzt.

Zusätzlich wurde im Rahmen der Besoldungsreform beschlossen, Sozialpädagogen in Krisenzentren in eine höhere Gehaltsstufe zu reihen als jene in den normalen Wohngemeinschaften, heißt es. Damit solle sichergestellt werden, dass die Arbeit im Krisenzentrum für auch ältere Pädagogen attraktiv wird.

ÖVP-Familiensprecherin Sabine Schwarz fordert, die Kritik der Anwaltschaft ernst zu nehmen. In einem ersten Schritt müsse das erforderliche Personal zur Verfügung gestellt und die Missstände beseitigt werden. (Oona Kroisleitner, 16.6.2020)