Die Erzherzog-Johann-Hütte des Österreichischen Alpenklubs am Großglockner-Normalweg ist mit 3.454 Metern die höchste Schutzhütte Österreichs.

Foto: Toni Riepler

Ein Samstagmittag im Juni. Die Sonne strahlt mit dem Blau des Himmels um die Wette, auch auf über 1.750 Metern Seehöhe ist es fast zu warm. Die Sonnenterrasse auf der Rieder Hütte im oberösterreichischen Höllengebirge ist nahezu bis auf den letzten Platz gefüllt. Das sind Situationen, da kommen selbst routinierte Hüttenwirte wie Günter Hausjell "ins Schwimmen". Da zwei Weißbier, dort drei Hollerkracherl, noch ein Bier. Die Bestellungen an der improvisierten Schank im Freien kommen im Minutentakt. Und da ist noch der Wanderer mit der losen Schuhsohle, auch ihm soll geholfen werden. Ein Panzertape um den Schuh gewickelt, das sollte bis zur Bergstation der Feuerkogelseilbahn halten.

Während Günter die durstigen Kehlen versorgt, kümmert sich seine Lebensgefährtin Karin Braun um die Küche. Günters Schwester Gertraud hilft mit und balanciert volle Teller mit Kaspressknödelsuppe nach draußen. Eine davon ist für Ernst Schreiner. Der ältere Herr, "Hüttenopa", wie ihn Günter nennt, ist der ehemalige Wegewart der Alpenvereinssektion Ried und schaut ab und zu noch bei "seiner" Hütte vorbei, um kleine Reparaturarbeiten zu erledigen – für eine Suppe eben.

Schwierig zu bewirtschaften

Günter und Karin sind im zweiten Jahr Pächter der Rieder Hütte. Vorher war Günter jahrelang auf einer hochalpinen AV-Hütte im Ötztal zugange. Alpinistisch ist der kleine Stützpunkt im Osten des Höllengebirges eher unbedeutend. Nur für die Überquerung des gesamten Karststocks bleiben öfters "Nachtler" auf der Rieder Hütte. Die meisten Gäste sind Tagesausflügler, die nach der zweieinhalbstündigen Wanderung von der Feuerkogelseilbahn auf den Höllkogel (1.862 Meter) auf dem Rückweg gerne hier einkehren.

Was wenige Gäste sehen: Die Bewirtschaftung des beliebten Wanderziels ist schwieriger als bei vielen wesentlich höheren und exponierteren Schutzhütten. Es gibt keine Materialseilbahn auf das Bergplateau, die Versorgung erfolgt ausschließlich mit dem Hubschrauber. Nicht haltbare, frische Lebensmittel werden von der Feuerkogelseilbahn zu Fuß herübergetragen: Wegzeit zwei Stunden plus/minus. Das erfordert viel Planung und eine entsprechende Logistik bei den Einkäufen.

Erwartungen hochgeschraubt

Was aber weit schwerer wiegt: Wie bei vielen anderen Berghütten in den Kalkalpen ist Wasser Mangelware. Es gibt keine Quelle, also muss auch das Trinkwasser heraufgeflogen werden; das Regenwasser wird als Brauchwasser gesammelt. "Manche verstehen nicht, warum sie hier nicht mit dem Wasser pritscheln können", erzählt Hüttenwirtin Karin. Andere wiederum reagierten verärgert, wenn einmal mangels Zitronen kein Soda-Zitron erhältlich sei.

"Bei vielen Hütten wurde der Standard in den vergangenen Jahren derartig hochgeschraubt, dass sich der Mensch nicht mehr auf das Einfachste reduzieren kann und will", sagt Günter Hausjell.

Eine Beobachtung, die wohl die meisten Hüttenpächterinnen und -pächter unterschreiben würden. Die Erwartungshaltung vieler Bergtouristen hat sich gewandelt: Die Schutzhütte soll mehr sein als nur spartanische Notunterkunft im unwirtlichen Gelände und Rastplatz mit Getränken und einfachen Speisen. Sie soll neben ihrer Stützpunktfunktion auch als alpiner Sehnsuchtsort eine gewisse Urtümlichkeit und Illusion des einfachen Lebens in der Natur vermitteln – aber bitte mit Dusche, Warmwasser und, wenn möglich, Zweibettzimmer. Matratzenlager ja – aber eben "de luxe", könnte man das Anspruchsdenken zusammenfassen. Erfüllbar sind solche Wünsche in den seltensten Fällen, denn im Massenlager wird es dann doch manchmal eng.

Luxusbau

Schlafsack und Wechselwäsche muss jeder selbst auf die Hütte tragen. Der Gepäcktransport via Seilbahn ist nicht auf jeder Hütte möglich, und dort, wo es wenig Wasser gibt, ist Duschen eben auch nicht drinnen. Komfortverzicht bleibt letztlich immer ein Thema.

Die Vereine waren an den gestiegenen Ansprüchen nicht ganz unbeteiligt. So hat der Alpenverein Ende der 1970er-Jahre im Pinzgauer Stubachtal auf 2.315 Metern das Alpincenter Rudolfshütte hingeklotzt. Ein Luxusbau, Sauna inklusive. Inzwischen hat man den Irrweg aber erkannt und die Rudolfshütte an einen Hotelier verkauft, der sie nun als das führt, was sie ist: ein Berghotel.

Anderenorts wurden ebenfalls zu groß geratene Häuser redimensioniert. Das Leopold-Happisch-Haus der Naturfreunde im Salzburger Tennengebirge ist da ein besonders eindrückliches Beispiel: Nach dem Umbau gibt es hier keinen Pächter mehr – der Gast ist gleichzeitig Wirt und bewirtschaftet die Hütte selbst.

Hightech-Hütten

Statt auf Komfort setzten die Vereine vermehrt auf die Ökologisierung im Zuge von Neu- und Umbauten. So gut wie alle der 440 Hütten mit mehr als 17.000 Schlafplätzen der österreichischen Vereine liegen ja in ökologisch hochsensiblen alpinen Gebieten. Die zahlreichen privaten Hütten, wie auch jene des Deutschen Alpenvereines (DAV), sind hier nicht miteingerechnet.

Das Schiestlhaus (2.156 Meter) des Österreichischen Touristenklubs (ÖTK) im steirischen Hochschwabgebiet etwa wurde 2005 neu gebaut und war das erste alpine Passivhaus. Die Zeiten sind längst vorbei, als Pioniere wie Hermann Hinterhölzl, der Ende der 1970er-Jahre für das Matrashaus am Hochkönig die erste Windkraftanlage installierte, noch als Spinner verlacht wurden. Die Liste umweltverträglicher Hütten ist lang, und selbst hinter manchem rustikal anmutenden Bau verbirgt sich viel kostenintensive Ökotechnologie – zur Abwasserentsorgung oder zur Stromerzeugung. (Thomas Neuhold, 17.6.2020)

Hinweis: Ab 20. Juni gibt es jede Woche einen Wandertipp zu einer Schutzhütte: DER STANDARD-Hüttensommer auf /lifestyle/reisen/outdoortipps
Illustration: Der Standard