Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) führt den Vorsitz im Ibiza-Untersuchungsausschuss – gegen den Willen von SPÖ, FPÖ und Neos.

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Seit Dienstag ist die Oppositionsrunde gegen Wolfgang Sobotka als Vorsitzenden des Ibiza-U-Ausschusses komplett. SPÖ und Neos äußerten ihre Zweifel an der Unbefangenheit des türkisen Nationalratspräsidenten schon vor Beginn des Ausschusses, nun zieht auch die FPÖ nach: Sobotka hänge "mit Händen und Füßen in einem Netzwerk der Novomatic drinnen", sagte der blaue Klubchef Herbert Kickl. Er habe das Gefühl, Sobotka agiere als "der Tatortreiniger der ÖVP an der Spitze dieses Untersuchungsausschusses". Es sei an der Zeit, dass der Nationalratspräsident den Ausschussvorsitz abgebe.

Worum geht es? Die Freiheitlichen werfen Sobokta vor, die Arbeit des Untersuchungsausschusses zu behindern. Denn Johannes Eisenberg, der Anwalt eines der mutmaßlichen Videoproduzenten, hat angeboten, dem Ausschuss das Video zu übermitteln – und Sobotka hat abgelehnt. Und Eisenberg vorgeschlagen, das Video den Behörden zu übergeben – diese könnten es dann dem Ausschuss liefern.

Soko als "Verschleierungseinrichtung der ÖVP"

Der Nationalratspräsident argumentiert das mit der Einschätzung des rechtswissenschaftlichen Dienstes im Parlament, dass das Video möglicherweise illegal beschafft wurde und deshalb dem Ausschuss nicht als Beweismittel zur Verfügung stehen könne – obendrein sei es in der Verfahrensordnung gar nicht geregelt, ob und wie Dritte Beweise zuliefern können.

SPÖ, Neos und die FPÖ sehen das anders. Die Freiheitlichen vermuten hinter Sobotkas Vorgehen politisches Kalkül. Wenn nicht Anwalt Eisenberg das Video liefert, tut es die Staatsanwaltschaft – nach einer Bearbeitung durch das Bundeskriminalamt, das den Film ja längst hat. "Was macht man zig Tage damit, wenn man es nicht einfach nur manipulieren möchte?", fragt der blaue Fraktionsführer Christian Hafenecker. Der ermittelnden Soko Tape wirft er vor, als "Verschleierungseinrichtung der ÖVP im Bundeskriminalamt" zu agieren. Er glaubt, dass die Preisgabe des Videos gezielt getimt werden soll, um die Aufmerksamkeit umzulenken, wenn Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz als Zeuge geladen ist.

Sobotka findet Forderung "befremdlich"

Die FPÖ unterstützt den Vorstoß von Neos-Fraktionsführerin Stephanie Krisper, Eisenberg als Auskunftsperson zu laden – dann könne er das Video gleich mitnehmen und den Abgeordneten zeigen.

In einer Stellungnahme erklärt Sobotka, er finde es "befremdlich, dass man aufgefordert wird, den Vorsitz abzugeben, nur weil man im Sinne des Rechtsstaates agiert. Das Parlament wird sicher keinen Rechtsbruch begehen." Er habe Justizministerin Alma Zadić "eindringlich" ersucht, das Video so schnell wie möglich zu übermitteln. "Dann wäre nicht nur diese leidige Debatte beendet, sondern die Abgeordneten könnten auch endlich weiterarbeiten."

Presserat übt Kritik

In einem anderen Aspekt der Causa Ibiza hat sich der Presserat eingeschalten. Er übt vorsichtige Kritik daran, dass Medien – auch DER STANDARD – das Fahndungsfoto der vermeintlichen Oligarchennichte veröffentlicht haben. Der Presserat empfiehlt, in solchen Fällen mit mehr Sensibilität vorzugehen. Zwar dürfe die Identität von Verdächtigen in der Berichterstattung unter bestimmten Umständen preisgegeben werden; dass Behörden ein Fahndungsfoto veröffentlichen, befreie Redaktionen aber nicht von der Pflicht, die Verhältnismäßigkeit einer Publikation zu überprüfen. (Sebastian Fellner, 17.6.2020)