Doch, es gibt sie, die grüne Handschrift. Man muss nur genau hinschauen. Sie ist zart und blass, am Dienstag hat sie vielleicht etwas an Farbe und Kontur gewonnen, ist in der Regierung sichtbarer geworden. Planmäßig. Die Grünen mussten endlich liefern, und die ÖVP zeigte sich spendabel, sie lässt dem kleinen Koalitionspartner Auslauf. Zumal die eigene, die türkise Klientel ohnedies großzügig bedient wurde. Nach der Arbeitsklausur der Regierung wurde ein Paket präsentiert, das helfen soll, Österreich ein Stück weit aus der Corona-Krise zu heben.

Die Unternehmen werden gestützt und zu Investitionen angeregt, der Gastronomie wird unter die Arme gegriffen, die Künstler sollen auch profitieren, Menschen ohne Arbeit erhalten eine Einmalzahlung, Land- und Forstwirte werden wieder subventioniert. Der öffentliche Verkehr wird ausgebaut, die Digitalisierung in den Schulen endlich vorangetrieben. Die Regierung schüttet ihr Füllhorn aus.

Wären die Grünen noch in Opposition, würden sie die mangelnde Zielsicherheit kritisieren, den fehlenden Plan, sie würden die sozialpolitischen Schwachstellen aufzeigen und auf die Dringlichkeit einer Klimawende hinweisen. Werner Kogler würde mit einer Protesttafel vor dem Kanzleramt stehen. So verkauft er einen grünen Erfolg im Kanzleramt.

Sozialpolitischer Aktionismus

Man kann die Einmalzahlungen für Menschen ohne Arbeit loben, sie sind eine wichtige Unterstützung. Man kann sie auch als schäbige Almosen kritisieren, beides ist berechtigt. In der akuten Not helfen 450 Euro. Letztlich ist das aber sozialpolitischer Aktionismus, weit entfernt von wirkungsvollen Konzepten, um den Arbeitsmarkt zu beleben oder Armut strukturell zu bekämpfen. Die ÖVP setzt auch in der Krise auf Leistung und Leistungsträger – wer da nicht mitkommt, wird mit Einmalzahlungen abgespeist. Die Einmalzahlungen wirken hier wie eine Geste des schlechten Gewissens, um sich dann endlich wieder anderen Themen zuwenden zu können.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP).
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Der Klimaschutz ist ein anderes, aber um nichts weniger wichtiges Thema – vielleicht das entscheidende Thema überhaupt. Hier geht es um die Zukunft unseres Planeten, so dramatisch haben das die Grünen im Wahlkampf und in Vor-Corona-Zeiten noch dargestellt. Das hat sie letztlich in die Regierung katapultiert.

Was immer bereits ausgehandelt und angedacht war, ÖVP und Grüne haben es nun zu einem Paket zusammengetragen. Es wird in Bahnhöfe investiert, das 1-2-3-Ticket umgesetzt, es werden Heizkessel und Gebäude saniert, Solardächer montiert, insgesamt kann man da auf zwei Milliarden Euro kommen, wenn man alles zusammenrechnet. Grüne Handschrift? Hier ist sie, so platzte es am Dienstag aus Werner Kogler förmlich heraus.

Von einem umfassenden und wirksamen Klimaschutzpaket ist die Regierung aber nach wie vor weit entfernt. Wenn wir auf die Experten hören wollen, haben wir keine oder kaum noch Zeit. Die Regierung hingegen tut so, als ob sie alle Zeit der Welt hätte. Und irgendwann, wenn die Zeiten besser sind, macht sie sich Gedanken über eine ökosoziale Steuerreform, eine faire CO2-Bepreisung, den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, dann rettet sie die Welt. Wenn sich die Grünen selbst ernst nehmen, müssen sie den zarten grünen Buntstift endlich aus der Hand legen und zum dicken Pinsel greifen. Nicht nur aus Marketinggründen. Sorry, es geht um den Planeten. (Michael Völker, 16.6.2020)