Johann Gudenus bei einer Kundgebung der FPÖ Wien gegen die Corona-Maßnahmen.

Foto: apa / helmut fohringer

Mehrere hundert Seiten stark ist der Zwischenbericht der Soko Tape, der vor rund zwei Wochen erstellt wurde und dem "Kurier" vorliegt. Er zeigt vor allem, dass die Verteidigungsgeschichte von der b'soffenen G'schicht immer schwieriger aufrechtzuerhalten ist – und dass es "das Video" an sich nicht gibt. Der Reihe nach:

Frage: Hat die Soko jetzt doch nicht das gesamte Ibiza-Video?

Antwort: Jein, heißt es aus dem Umfeld der Ermittler. Offenbar fehlt ihnen eine bestimmte "Videoschleife", also ein Kamerawinkel, der "Süddeutscher Zeitung" und "Spiegel" sehr wohl vorliegt. Aber der Abend auf der Finca lasse sich dennoch vollständig rekonstruieren, verspricht die Soko. Außerdem besitzt sie offenbar weitaus mehr Material als bislang bekannt: etwa einzelne "Promoclips" des Ibiza-Abends, die potenziellen Käufern des Videos vorgespielt wurden. Außerdem gibt es eine Reihe von Aufnahmen, die vor und nach Ibiza entstanden sind. Die Oppositionsparteien zeigten sich jedoch über die verwirrenden Informationen entsetzt: SPÖ, FPÖ und Neos fordern die Auflösung der Soko und die Übernahme der Ermittlungen durch das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK).

Frage: Was ist auf den Aufnahmen zu sehen und hören, die nicht auf Ibiza entstanden sind?

Antwort: Laut dem Bericht der Soko zeigen die Audio- und Videoaufnahmen die Anbahnung für die Szene auf Ibiza in Wien. Johann Gudenus hat sich im Vorfeld mit dem Detektiv getroffen, der an der Videofalle beteiligt gewesen sein soll und sich als Vertrauter der angeblichen Oligarchennichte ausgegeben hat. Demnach wurde schon vor dem Treffen auf Ibiza über den Kauf der "Kronen Zeitung" und über Firmenkonstruktionen für mögliche Geschäfte verhandelt. Und: Das Ibiza-Video dürfte erst im zweiten Anlauf entstanden sein. Schon vor dem Dreh auf der Insel war in einem Wiener Hotel eine Videofalle aufgebaut – doch Strache sagte kurzfristig ab.

Frage: Das heißt, die Gespräche auf Ibiza waren gar keine b'soffene G'schicht?

Antwort: Es wird jetzt für Gudenus und Strache jedenfalls noch schwieriger, diese Verteidigungsstrategie aufrechtzuerhalten.

Frage: Woher stammen die Aufnahmen, die Gudenus beim Drogenmissbrauch zeigen?

Antwort: Die Bilder wurden in einer Suite eines Wiener Hotels aufgenommen, Gudenus ist dabei über einen Couchtisch gebeugt und hat die Nase nahe an der Tischoberfläche. Von diesem Treffen mit dem Detektiv soll es auch eine siebenstündige Tonaufnahme geben.

Frage: Was sagt Gudenus dazu?

Antwort: Sein Anwalt richtete dem "Kurier" aus, dass der Ex-FPÖ-Politiker nie Drogen konsumiert habe – und selbst wenn, würde das in seinem höchstpersönlichen Lebensbereich liegen. Gudenus verweist außerdem darauf, dass die Sache "Schnee von gestern" sei, weil die Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Suchtmittelmissbrauchs gegen ihn eingestellt hat – die Tat war zum Zeitpunkt der Ermittlungen bereits verjährt. Gudenus legte nach Erscheinen des Ibiza-Videos alle politischen Ämter zurück, hat allerdings in seiner Amtszeit immer wieder gegen illegale Drogen gewettert, Dealer als "skrupellose Verbrecher" bezeichnet, die ein "todbringendes Geschäft" betreiben, und gegen "Junkies" geschimpft.

Frage: Wurde Gudenus mit den Aufnahmen erpresst?

Antwort: Die Theorie, dass Gudenus nicht ahnungslos in die Videofalle auf Ibiza getappt ist, gibt es seit der Veröffentlichung der Clips. In der Finca soll Gudenus Bedenken seiner Ehefrau vom Tisch gewischt haben, auch Straches Sorgen besänftigte er. Außerdem sagte ein russischer Geschäftsmann vor der Soko, er habe Gudenus vor der "Oligarchennichte" gewarnt. Denn der Geschäftsmann kennt den Oligarchen Igor Makarow gut, und dieser habe keine Nichte. Gudenus selbst weist die Vorwürfe strikt von sich. Sein ehemaliger Weggefährte Strache sagte am Mittwoch: "Wenn man mit vorbestraften Drogendealern kokst, dann kann man nicht sagen, dass man kein enges Verhältnis gehabt hat."

Frage: Hat die Soko die Fotos an den "Kurier" weitergegeben?

Antwort: Das ist ebenfalls eine unter den Oppositionsparteien gängige Theorie, die sich unter dem Stichwort "türkise Netzwerke" zusammenfassen lässt. Offenbar haben Ende Mai aber bereits mindestens vier Anwälte Akteneinsicht in diesen Bericht erlangt. Es gibt also eine ganze Reihe von Möglichkeiten, woher die Fotos stammen können. Über die Inhalte des Berichts hätte wohl auch jede Zeitung berichtet.

Frage: Wann bekommt der U-Ausschuss das Video?

Antwort: Nach der Freigabe durch die Staatsanwaltschaften kann das von der Soko sichergestellte Video samt zugehörigem Soko-Bericht an die Abgeordneten übermittelt werden. Rechtlich gibt es dafür längere Fristen, die bis in den Sommer laufen – aber angesichts der öffentlichen Aufmerksamkeit dürfte es wohl schneller gehen. Die zweite Videoversion, die der Anwalt des mutmaßlichen Drahtziehers J. H. dem U-Ausschuss angeboten hat, kann ebenfalls von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in Empfang genommen und übermittelt werden. Der Ausschussvorsitzende Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat nach einem Gutachten des parlamentarischen Rechtsdiensts das Angebot des Anwalts, das Video direkt an den U-Ausschuss zu liefern, abgelehnt. Diese Rechtsmeinung wird von der Opposition angezweifelt. (Fabian Schmid, Sebastian Fellner, 17.6.2020)