Jüngste Enthüllungen im Konflikt zwischen Korruptionsstaatsanwaltschaft und Soko Tape zeigen immer deutlicher: Die Ermittlungsmethoden der Polizeibeamten sind derartig raffiniert, dass sich ihre wahren Absichten nicht immer auf den ersten Blick offenbaren. So geschehen in der Causa des Soko-Polizisten Niko R., dessen unmittelbar nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos an H.-C. Strache gesandte Fan-SMS ("Lieber HC, ich hoffe auf einen Rücktritt vom Rücktritt. Die Politik braucht dich! Alles Gute für alles Weitere! Liebe Grüße, Niko") für die Soko keinen Grund darstellte, ihn von den Ermittlungen gegen Strache abzuziehen. Über mögliche Gründe dafür rätselnd, fiel mir ein Zitat von Andreas Mölzer ein, wonach Straches Handy noch Stoff für die nächsten zehn Jahre liefern wird. Eine Art berufliche Absicherung für Investigativjournalisten und Satiriker – aber natürlich auch für die Polizei. War also die Bitte um Straches Verbleib in der Politik dem Wunsch nach Arbeitsplatzsicherung bei der Exekutive geschuldet?

Andreas Holzer leitet die Soko Tape.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Nein, es war noch viel gefinkelter! Wie das Innenministeriums-Innenperspektiven-Blatt "Kurier" berichtet, wollte man R. als "eine Art Lockvogel für Strache benützen". Nach der "schoafen Russin" sollte dieser also auch dem schleimigen SMS-Schreiber in die Falle gehen. Eine durchtriebene List, die aber möglicherweise noch nicht den Gipfel ermittlungstechnischer Ausgefuchstheit darstellt. Denn der Anwalt der Macher des Ibiza-Videos verriet vor ein paar Tagen, dass der jetzige Soko-Tape-Chef Andreas Holzer bereits 2015 von einem Whistleblower Material gegen Strache angeboten bekommen habe und dass Holzers "Ermittlungsmängel eigentlich erst die Idee zur Videofalle entstehen ließen".

Belastende Daten

So gesehen war die vermeintliche Untätigkeit Holzers in Wahrheit ein perfekt getarnter Auftrag zum Dreh des Ibiza-Videos!

Bei so viel Ermittler-Genialität kann es aber trotzdem noch passieren, dass man von anderen ausgetrickst wird. So passierte es wohl dem SMS-Schreiber R., der als aktiver ÖVP-Lokalpolitiker auch gegen den ÖVP-Mitarbeiter und Festplatten-Schredderer Arno M. ermittelte. Dabei verzichtete der Polizist auf die Beschlagnahme von Handy und Computer des Verdächtigen mit der Begründung: Stefan Steiner, der engste Berater des Bundeskanzlers, habe die Polizisten schon vom Fenster aus am Eingang zur ÖVP-Parteizentrale gesehen, "weshalb man davon ausgehen könne, dass belastende Daten sicherlich schon beseitigt worden seien und ein weiteres Einschreiten der Polizei wenig Erfolg versprochen hätte".

Völlig unerklärlich, warum Steiner auf die Unterstellung, er habe kriminalistisch relevante Daten beseitigt, nie reagierte.

Doch auch hier wurde eine versteckte Agenda nicht durchschaut. Konkret der Wunsch nach beruflicher Veränderung bei Steiner. Der Schredderer wurde nämlich unlängst im Kanzleramt zum Referatsleiter für "Besuchsmanagement" befördert. Das könnte in der Praxis bedeuten, dass künftig nicht mehr Steiner, sondern M. den Eingang beobachten muss, um im Falle plötzlichen Polizeibesuchs zu warnen: "Tschüf! Kibarei! Alle belastenden Daten beseitigen!" (Florian Scheuba, 18.6.2020)