Rapper Snoop Dogg über die Reputation der US-Polizei: "Niemand hat je den Song Fuck the Fire Department geschrieben."

Foto: afp

KRS-One hat keine Freude mit der Polizei. Ein Rapper, der Cops mag? Ist nicht überliefert. In seinem 1993 erschienenen Song Sound Of The Police rappt er "Woop! Woop! That’s da sound of da Police. Woop! Woop! That’s da sound of the beast!" Die Polizei, das ist die Bestie, lautet die Botschaft. Das Wort "officer" leitet er vom Terminus "Overseer" ab, dem Aufseher. Der konnte einst Sklaven ungestraft töten, der Officer ist nach KRS-One dessen zeitgenössische Inkarnation. Die Realität gibt ihm immer wieder recht, wie die von der Polizei in den letzten Wochen getöteten Afroamerikaner George Floyd und Rayshard Brooks zeigen.

Seit George Floyd, gefesselt und am Boden liegend, von einem weißen Polizisten getötet wurde, demonstrierten Hunderttausende gegen Polizeigewalt. Mehrere US-Städte haben mittlerweile Änderungen der Polizeikompetenzen angekündigt, der in der Truppe herrschende Rassismus ist Wahlkampfthema der US-Präsidentschaftswahl, Trump hat eben ein Dekret zur Polizeireform unterzeichnet. Kritikern geht das nicht weit genug, das sei nur Symbolpolitik. Dafür besteht das Thema schon zu lange. Für die Betroffenen begann es 1619. Damals kamen die ersten als Sklaven verschleppten Afrikaner in die USA. Die Sklaverei liegt deshalb wie ein Schatten auf der Geschichte der USA.

KRSOneVEVO

Im Hip-Hop als einflussreichster afroamerikanischer Kulturform ist Polizeigewalt präsent, seit das Genre in den 1970ern in den Straßen der New Yorker Bronx entstanden ist. Cops und Hip-Hop hängen aneinander wie zwei Schellen an der Kette einer Handfessel, ein Yin und Yang aus Unrecht und dem Anprangern desselben. Mit dem Boom des Hip-Hop vervielfältigte sich diese Kunde wie in den 1960ern, als Soulmusik über ihre Popularität bei der weißen Jugend ein Umdenken mitanstieß, nur dass Hip-Hop ungleich politischer ist.

Niggas With Attitude

Als N.W.A. 1988 den Song Fuck Tha Police veröffentlichten, gab es einen Aufschrei. In der Deutlichkeit hatte das im Popformat noch kaum jemand gesagt. Die Politik reagierte entsetzt, das Album Straight Outta Compton gilt als einer der Geburtsmomente des Gangster-Rap. Über die Berechtigung des Songs sagte Kollege Snoop Dogg später: "Hätte die Polizei immer alles richtig gemacht, würden die Menschen ihr trauen. Niemand hat je den Song Fuck the Fire Department geschrieben."

big block

1992 veröffentlichte Rapper Ice-T mit der Hardcore-Band Body Count das Stück Cop Killer. Es war das Jahr, in dem jene Polizisten freigesprochen wurden, die den Afroamerikaner Rodney King fast zu Tode geprügelt hatten und dabei gefilmt worden waren. Auf den Freispruch folgten Unruhen, die in Los Angeles 53 Todesopfer forderten. Cop Killer zog Boykotte und Zensuraufrufe nach sich, die Affäre erreichte gar das Weiße Haus: George Bush sen. nannte den Song "sick", und Ice-T wurde mit dem Sektenführer Charles Manson verglichen. An den Motiven des Songs war niemand interessiert.

Der Klan in Uniform

Dabei war es die Politik des Republikaners Ronald Reagan und seines Nachfolgers George Bush, die an der Misere vieler Armer und Afroamerikaner schuld war. Reagan kürzte und strich in den 1980ern Erziehungsprogramme, Sozial- und Kommunalhilfen und drängte so hunderttausende Familien der unteren Mittelschicht in Arbeitslosigkeit und Armut; korrelierend damit stiegen Kriminalität und Drogensucht dramatisch an. Bekämpft wurden aber nicht die Ursachen, sondern die Symptome: mit Polizeigewalt. Schon in den 1960ern verglich Malcolm X die Polizei mit dem Ku-Klux-Klan. Sie hätte bloß die Laken gegen die Uniform und die Blut- gegen Polizeihunde getauscht.

thechannelsurfin100

Hip-Hop war immer ein Kampf von unten gegen oben, eine politisierte Party. Public Enemy aus New York wollten Hip-Hop als "schwarzes CNN" etablieren. Als Medium der Afroamerikaner, in dem die Geschichte und die Geschichten aus ihrer Sicht dargestellt werden. Auch sie trauten der Polizei nicht über den Weg. 911 Is A Joke heißt einer ihrer Songs: Der Notruf ist ein Witz. Zumindest wenn ihn Afroamerikaner wählen. Daraus resultiert der nächste Aufruf: Fight The Power. Den hatten die Isley Brothers schon 1975 formuliert, Public Enemy erneuerten und verschärften ihn.

In schöner antiker Tradition nahmen Politik und Polizei die Überbringer der schlechten Nachrichten in die Mangel. In den Nullerjahren entstanden im Geheimen sogar Polizeieinheiten, die Künstlerinnen und Künstler des Fachs bespitzelten: die Hip-Hop-Cops. Sie suchten in Rap-Songs Hinweise auf reale Straftaten. Wenn umgekehrt ein Country-Musiker wie Johnny Cash "I shot a man in Reno just to watch him die" sang, wurde nicht gleich eine Sondereinheit gebildet. Racial Profiling, rassistisch motivierte Untersuchungen, wurde das genannt und wegen Sinnlosigkeit irgendwann wieder eingestellt.

Essen mit dem Präsidenten

1991 rappte Ice Cube noch, dass er nie mit dem Präsidenten zu Abend gegessen hätte. Mit dem Einzug von Barack Obama ins Weiße Haus änderte sich da einiges. Obama war mit Soul, Funk und Hip-Hop aufgewachsen, er kannte die Sprache und ihre Codes. Plötzlich aßen Hip-Hopper im Weißen Haus, diskutierten und traten auf. Rapper wie Common, Q-Tip, Killer Mike, Nicki Minaj, Nas, Queen Latifah, die Roots, Rick Ross, J. Cole oder der Pulitzer-Preisträger Kendrick Lamar.

Hakan Dougpark

Doch auf der Straße änderte sich nichts. Immer noch sterben Afroamerikaner durch die Polizei, während Weiße bei denselben Vergehen höflich ermahnt werden. Das stärkt den Hip-Hop stetig und unterstreicht seine Relevanz. Trends kommen und gehen, aber ein 30 Jahre altes Hip-Hop-Album wie, sagen wir, Death Certificate von Ice Cube, ist heute noch aktuell. Der Sound mag sich verändert haben, der Widerstandsgeist ist nicht weniger geworden. Im Gegenteil.

Im Verein mit den sozialen Medien ist die Hip-Hop-Kultur mit ihren Vertretern tatsächlich so etwas wie ein schwarzes CNN geworden. Beyoncé erreicht allein auf Instagram 150 Millionen Fans. Das wirkt. Die Zustimmung für die Proteste der Afroamerikaner ist so groß wie noch nie. Sollte es tatsächlich zu fundamentalen Polizeireformen kommen, so wäre das nicht zuletzt das Verdienst des Hip-Hop. Um einen vielgelittenen afroamerikanischen Slogan zu bemühen: "Keep hope alive." (Karl Fluch, 18.6.2020)