Adrian Constantin ist der Wittgenstein-Preisträger 2020.
Foto: Daniel Novotny

Wellen, Wind und Strömungen sind die Forschungsbereiche, mit denen sich der diesjährige Träger des Wittgenstein-Preises auseinandersetzt: Der vom Wissenschaftsfonds FWF ausgeschriebene und mit 1,5 Millionen Euro höchstdotierte Wissenschaftspreis Österreichs geht an den Mathematiker Adrian Constantin von der Universität Wien. Im Vorjahr waren es zwei Preisträger, der Historiker Philipp Ther und der Mikrobiologe Michael Wagner, beide ebenfalls Universität Wien.

Die internationale Fachjury aus acht hochkarätigen Wissenschaftern, darunter zwei Nobelpreisträger, begründete ihre Entscheidung für Constantin mit dessen "bahnbrechenden Beiträgen zur Mathematik der Wellenausbreitung". Seine Forschungen darüber, wie Wellen brechen, hätten den Grundstein für die "rigorose mathematische Untersuchung von Singularitäten in den nichtlinearen partiellen Differentialgleichungen von Flüssigkeitsströmungen gelegt", sagte die Juryvorsitzende Janet Wolff (University of Manchester).

Tsunamis und El Niño

Was zunächst etwas sperrig klingen mag, ist in Wahrheit Grundlage und Handwerkszeug für viele Forschungsprobleme in der Ozeanografie, Meteorologie und am Rande auch in der Klimaforschung. Als weltweit gefragter Mathematiker, der zu den meistzitierten Wissenschaftern in diesem Bereich zählt, erforscht der gebürtige Rumäne Wellenphänomene, die etwa bei Tsunamis eine Rolle spielen. Auch an den komplizierten ozeanischen und atmosphärischen Vorgängen bei der Entstehung des El-Niño-Phänomens und dem Verhalten von antarktischen Meeresströmungen arbeitete der Mathematiker.

Großen geophysikalischen Strömungen gilt auch sein jüngstes Forschungsinteresse, wie Constantin im Gespräch mit dem STANDARD erzählt. Das Wittgenstein-Preis-Geld gibt ihm dabei die Möglichkeit, sich in den kommenden Jahren einigen kniffligen Fragen zu widmen, etwa den Wechselwirkungen zwischen den Ozeanen, der Atomsphäre, dem Faktor Temperatur und der Krümmung der Erdoberfläche. Letzteres wird nämlich in der Meteorologie weitgehend vernachlässigt – nicht zuletzt deshalb, weil die dahinterstehenden Gleichungen äußerst komplex seien, so Constantin.

Den Morning Glory Clouds (hier eine Aufnahme vom August 2009 nahe Burketown in Queensland) gilt Adrian Constantins künftiges Forschungsinteresse.
Foto: Mick Petroff

Rätselhafte Wolkenwalzen

Noch ein weiteres atmosphärisches Phänomen hat es Constantin angetan, mit dem er sich in Zukunft beschäftigen will: Die sogenannten Morning Glory Clouds sind regelmäßig im Frühling vor der australischen Küste auftauchende Wolkenwalzen, die sich über mehrere Hundert Kilometer erstrecken. Wie diese entstehen, sei noch nicht restlos geklärt, sagt Constantin, der hofft, dazu einen Beitrag leisten zu können.

Zugleich mit dem Wittgenstein-Preis wurden heuer auch wieder die Start-Preise vergeben, die jeweils mit bis zu 1,2 Millionen Euro dotierten sind. Das Start-Programm richtet sich an aufstrebende Spitzenforschende, denen die Möglichkeit gegeben werden soll, längerfristig und finanziell abgesichert ihren Forschungen nachzugehen. Von den sieben geförderten Projekten aus den Bereichen "Naturwissenschaften und Technik", "Biologie und Medizin" und "Geistes- und Sozialwissenschaften", die aus 111 Anträgen ausgewählt worden waren, .w.erden fünf von Frauen geleitet. (Thomas Bergmayr, 17.6.2020)