Ingrid Felipe, hier bei der Landesversammlung 2018 anlässlich der Neuauflage der schwarz-grünen Koalition, erhielt Rückhalt aus ihrer Partei.

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Innsbruck – Am Dienstagabend beriefen die Tiroler Grünen ihren Landesvorstand ein. Insgesamt 46 Parteimitglieder folgten dem Aufruf und nahmen online an der Sitzung teil. Inhaltlich versuchte der Innsbrucker Gemeinderat Dejan Lukovic dabei erneut, seinen Antrag einzubringen, dem zufolge die Tiroler Grünen VP-Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Geisler wegen seines Luder-Sagers zum Rücktritt von allen politischen Mandaten auffordern sollen.

Den fast gleichlautenden Antrag hatte Lukovic bereits vergangene Woche gestellt. Doch er kam nicht zur Abstimmung, weil der Gegenantrag zur Einberufung des Koalitionsausschusses eine Mehrheit fand. Bei diesem Koalitionsausschuss wurde eine "gemeinsame Erklärung" von Volkspartei und Grünen verfasst, die Geislers Sager zwar als "indiskutable Entgleisung" bezeichnete, aber keinerlei Konsequenzen vorsah. Das sorgte bei den Grünen intern für Unmut, denn drei Landtagsabgeordnete hatten gegen diese Erklärung gestimmt, die mit vier Pro-Stimmen nur knapp eine Mehrheit beim Juniorpartner der Tiroler VP fand.

Koalitionärer Drahtseilakt der Grünen

Lukovic versuchte es nun am Dienstagabend erneut. Doch wieder wurde sein Vorstoß durch einen Gegenantrag verhindert. Thimo Fiesel, bis vor kurzem noch Generalsekretär der Bundes-Grünen, hat nach Aussagen von Teilnehmern der Sitzung beantragt, dass Lukovics Antrag vertagt wird und erst am 3. Juli im Landesausschuss der Partei behandelt werden soll. Für die Tiroler Grünen wäre eine Rücktrittsaufforderung an die Adresse Geislers ein koalitionärer Drahtseilakt. Denn Landeshauptmann Günther Platter hat bereits offen mit Neuwahlen gedroht, sollte der Juniorpartner weiter Druck in der Sache machen.

Auch parteiintern sorgte die Luder-Affäre für Personaldiskussionen. Landeshauptmann-Stellvertreterin und Tiroler Grünen-Chefin Ingrid Felipe hatte den Sager Geislers, bei dem sie neben ihm stand, überhört und später mit einer "versöhnenden" Auslegung von Feminismus zugunsten des VP-Politikers Teile der grünen Wählerschaft und Feministinnen verärgert. Doch am Dienstagabend beim Landesvorstand sei die Personalie Felipe kein Thema gewesen, wie Landessprecher Christian Altenweisl erklärte: "Wer glaubt, dass der grüne Teamgeist Schaden nimmt, weil ein ÖVP-Politiker eine sexistische Aussage tätigt, irrt gewaltig."

Altenweisel: "Was vorgefallen ist, gehört auf Titelseiten"

Altenweisl stellte klar, dass nicht Tirol-Chefin Felipe, sondern Geisler und sein Sager im Zentrum der Debatte stehen sollten: "Was vorgefallen ist und was dahintersteckt, gehört auf die Titelseiten der Zeitungen. Reden wir über Sexismus in der Gesellschaft und über die Strukturen, die all die Beleidigungen und Erniedrigungen decken. Frausein in Tirol ist auch im Jahr 2020 allzu oft begleitet von Diskriminierung und struktureller Gewalt. Trotz aller Verbesserungen, die in den letzten Jahren erreicht wurden. Darüber werden wir viel intern wie öffentlich diskutieren." (Steffen Arora, 17.6.2020)