Es ist keine Übertreibung zu behaupten, dass nun eine neue Phase im Konflikt um Syrien beginnt: Am Mittwoch trat die erste Phase des "Caesar Syria Civilian Protection Act" in Kraft, in US-Gesetz gegossene Sanktionen nicht nur gegen Syrien, sondern gegen alle, die in gewissen Sektoren – etwa Energie und Bauindustrie – mit dem syrischen Regime Geschäfte machen. Den Namen hat das Gesetz von dem anonymen Fotografen, der Beweismaterial für Folter und Mord in Syrien seit 2011 lieferte. Deshalb ist der Schutz der Zivilisten auch im Titel des Caesar Act verankert – und wer würde das nicht begrüßen?

Aber so einfach ist die Sache nicht: Der Caesar Act fällt eindeutig in die Kategorie einer US-Außenpolitik, die – einfach erklärt – durch eine Aktion A ein Resultat B erreichen will. In diesem Fall soll das Regime von Bashar al-Assad durch einen Zusammenbruch der Wirtschaft so isoliert, so geschwächt werden, dass das Ergebnis des neunjährigen Krieges, den Assad mithilfe seiner Unterstützer aus Russland, dem Iran und dem Libanon gewonnen hat, revidiert wird – wenn nötig über einen Kollaps des Staates. Und wenn der Libanon, der schon vor dem Krieg eine Außenstelle der syrischen Wirtschaft war, ebenfalls kollabiert, dann tritt dort immerhin der gewünschte Effekt ein, dass die Wut auf die Hisbollah steigen wird.

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Portrait von Bashar al-Assad plakatiert in Damaskus.
Foto: REUTERS/Yamam Al Shaar

Das heißt: Der Schutz der syrischen Zivilisten ist den US-Politikmachern hier nur auf einem Umweg ein Anliegen. Ihr Heil liegt darin, so arm und so wütend gemacht zu werden, dass sie Assad doch noch loswerden.

Korrektur

Das alles steht so nicht im Caesar Act, im Gegenteil: Dort wird nicht Assads Abgang gefordert, sondern eine Korrektur seines Verhaltens. Der Katalog der Kriterien, die er dabei erfüllen muss, sind vom humanitären und rechtlichen Standpunkt aus völlig nachvollziehbar. Dass Assad sie umsetzt, ist jedoch so gut wie undenkbar: Da müsste er sich selbst vor Gericht stellen. Washingtons Intention ist eben eine andere.

Dennoch ist von einer kohärenten, vorausschauenden Politik für Syrien, gar einem Plan für die Region, in dem man andere Akteure einbindet, nichts zu sehen. Aus anderen Beispielen in der Geschichte – Stichwort Irak – weiß man, dass, wenn diese kohärente Politik fehlt, Aktion A nicht immer (nur) Resultat B hervorbringt, sondern durchaus auch absurde und unerwünschte Entwicklungen.

So etwas zeichnet sich jetzt schon ab: In der Region Idlib, dort, wo von der Türkei gesponserte Rebellen und Jihadisten die Kontrolle haben, etabliert sich soeben die türkische Lira als Zahlungsmittel. Idlib ist vom Caesar Act ausgenommen, war von der aktuellen Talfahrt des syrischen Pfunds aber natürlich genauso betroffen. Für viele Araber – nicht nur Syrer – ist der Gebrauch der türkischen Währung in Syrien ein historischer Albtraum: Sind sie doch davon überzeugt, dass Präsident Tayyip Erdoğan mit seinen neoosmanischen Ambitionen nur auf die Gelegenheit wartet, sich arabisches Land unter den Nagel zu reißen.

Die Situation ist nicht zuletzt auch eine Folge eines internationalen, auch europäischen Versagens zu entscheiden, wie man mit Assads Syrien – und dem Wiederaufbau, den die USA nun zu stoppen versuchen – umgeht. Das einzig vernünftige Ziel wäre, Assad in einen wirklich sinnvollen politischen Prozess unter Uno-Führung zu zwingen, der zu seinem geordneten Rückzug führen würde. Aber genau das steht nicht im Caesar Act. (Gudrun Harrer, 17.6.2020)