Die Einstufung der Mittelmeerländer als risikobehaftete Urlaubsziele stürzt viele österreichische Urlauber und Arbeitnehmer ins Dilemma. Insbesondere die Frühbucher. Denn wer seinen vor Corona gebuchten Urlaub am Meer nun nicht antreten kann oder will, riskiert, auf den Kosten sitzenzubleiben.

Die Alternative ist nicht minder erbaulich: Denn im Fall einer Erkrankung im oder nach dem Urlaub steht die Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber für den Zeitraum der Krankheit auf dem Spiel. Denn die Bundesregierung hat zwar die Corona-bedingten Reisebeschränkungen für viele Staaten in Europa gelockert, die Einstufung als Hochrisikozone aber nicht aufgehoben.

Formal klingt diese auf der Website des Außenamts veröffentlichte Hochrisikowarnung wie ein harmloser "Hinweis". Die Auswirkungen können allerdings gravierend sein, denn darin wird "von nicht unbedingt notwendigen Reisen in das Land abgeraten". Genau dort hakt Arbeitsrechtsprofessor Wolfgang Mazal von der Uni Wien ein. Er mahnt zur individuellen Risikoabwägung. Nicht alles, was erlaubt oder nicht verboten sei, sei auch klug. Im Gegensatz zu einem Bänderriss beim Fußballspiel in der Freizeit oder einem Autounfall sei eine Reise in ein Risikoland eben kein "normales" Risiko.

Fahrlässig im Urlaub

Heißt in der Praxis: Eine Covid-19-Infektion im Anschluss an den Urlaub am Meer könnte vom Arbeitgeber als "grobe Fahrlässigkeit" gewertet werden, eben weil vor nicht notwendigen Reisen ins Ausland gewarnt wird. Bei strenger Auslegung wäre für Arbeitnehmer im Krankheitsfall die Entgeltfortzahlung perdu, und der Dienstnehmer bekommt zwei oder vier Wochen keinen Lohn oder kein Gehalt.

Wer dieses Risiko nicht eingehen, aber die Reise auch nicht antreten will, weil das Risiko zu hoch ist, dem bleibt nur das Storno. Selbiges kann teuer kommen. Je später storniert wird, desto höher sind die Kosten, kurz vor Reiseantritt werden von Reisebüro oder Reiseveranstalter in der Regel 80 Prozent einbehalten.

Sieht doch nicht schlecht aus: am Strand von Palermo.

Einen kostenlosen Rücktritt samt Rückerstattung des bezahlten Geldes in vollem Umfang gewähren Reiseveranstalter nur im Fall einer vom Außenministerium verhängten expliziten Reisewarnung. Sie müssten das nach Ansicht von Konsumentenschützern im Fall einer Epidemie zwar tun, in der Praxis bleibt das aber ein frommer Wunsch.

Reise- und Stornoversicherungen zahlen sowieso nicht, sie haben in ihren Geschäftsbedingungen durch die Bank Ausschlussklauseln und gewähren bei Epidemie keine Deckung, sagt der mit der Materie vertraute Verbraucherschützer Peter Kolba vom Verbraucherschutzverein VSV. Da Rechtsschutzversicherungen pandemiebedingt ebenfalls keinen Rechtsschutz gewähren müssen, bleibt nur die Klage auf eigene Kosten oder über den VSV.

Kolba hält einen kostenlosen Rücktritt von einer Reise oder einem Flug dennoch für gerechtfertigt, allerdings müsse man diesen erstreiten. Zum Beispiel mit einem Prozessfinanzierer, wie das der Verbraucherschutzverein unter "Reisestorno-Corona-Virus" anbietet. Allerdings gilt das nur für Reisen, die schon vor der Pandemie gebucht worden sind.

Klarstellung gefordert

Angesichts dieser misslichen Umstände sieht Arbeitsrechtler Martin Risak von der Uni Wien die Politik gefordert. "Jetzt wäre eine klare Aussage der Regierung, am besten der Justizministerin, angebracht, dass die Entgeltfortzahlung aufrechtbleibt", sagt Risak dem STANDARD. Denn Verschuldensfrage und Entgeltfortzahlung könnten selbst bei der Reise in ein Urlaubsgebiet, in dem die Ansteckungsgefahr nicht größer ist als bei uns in Österreich, zulasten der Arbeitnehmer ausgelegt werden.

Freilich sagen Arbeitsrechtler, dass in der Praxis keine Fälle bekannt sind, wonach Unternehmer Arbeitnehmern die Fortzahlung strittig gemacht hätten.

Wer noch keinen Urlaub gebucht hat, sollte last minute buchen, das mache flexibel, rät der Konsumentenschützer Kolba. Jetzt im Juni für August oder September buchen hingegen sei riskant, denn während der Pandemie ist ein kostenloser Rücktritt eben nicht möglich. (Luise Ungerboeck, András Szigetvari, 17.6.2020)