Bolton hat Trump im Visier. Manchmal sagen Blicke mehr als tausend Worte.

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Washington – Donald Trumps früherer Nationaler Sicherheitsberater John Bolton wirft dem US-Präsidenten in einem Enthüllungsbuch wiederholten Amtsmissbrauch und teils gravierende Unwissenheit vor. Die "New York Times" berichtete am Mittwoch unter Berufung auf das noch unveröffentlichte Buch über die Vorwürfe.

Schwere Vorwürfe

Bolton schreibt demnach, dass ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump nicht nur wegen der Vorwürfe in der Ukraine-Affäre, sondern auch wegen anderer Fälle gerechtfertigt gewesen wäre. Trump habe mehrfach strafrechtliche Ermittlungen zugunsten ihm genehmer "Diktatoren" unterbunden, etwa in Bezug auf China und die Türkei. "Das Verhaltensmuster sah nach Behinderung der Justiz als Alltagsgeschäft aus, was wir nicht akzeptieren konnten", schreibt Bolton demnach. Er habe seine Bedenken damals auch schriftlich an Justizminister William Barr gerichtet.

Wahlkampfhilfe aus China

In Bezug auf China habe Trump in den Verhandlungen über ein Handelsabkommen mehrfach klargemacht, dass es ihm darum gehe, ein Ergebnis zu erzielen, das es ihm erlauben würde, bei der US-Wahl im November in den landwirtschaftlich geprägten Bundesstaaten zu siegen. Chinas Versprechen, mehr landwirtschaftliche Produkte zu kaufen, war ein wichtiger Teil des Abkommens.

Bolton sagt außerdem, dass Trump dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping gegenüber den Bau der Internierungslager in Xinjiang gelobt habe, in denen Peking hunderttausende Uiguren einsperrt. Erst am Mittwoch unterschrieb Trump ein Gesetz, das diese Lager scharf verurteilt. Das "Wall Street Journal" zitiert zudem, dass Trump gegenüber Xi die Proteste in Hongkong verurteilt und Taiwan kritisiert habe.

Bei einem Treffen hinter verschlossenen Türen im Juni 2019 hatte Trump demnach laut "Washington Post" auf Chinas Wirtschaftsmacht angespielt "und Xi angefleht, seinen Sieg sicherzustellen": "Er betonte die Bedeutung von Landwirten und höheren chinesischen Käufen von Sojabohnen und Weizen für den Ausgang der Wahl", wird Bolton zitiert. Eine aktuelle Stellungnahme Boltons liegt noch nicht vor.

Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Zhao Lijian, ließ wissen, dass China keine Intention habe, sich in den US-Wahlkampf einzumischen.

Trump attackiert Bolton

Trump wiederum meldete sich am Mittwochabend in einem Interview des TV-Senders Fox zu Wort und kritisierte seinen ehemaligen Sicherheitsberater. "Er hat das Gesetz gebrochen", sagte Trump. Die aus dem Buch bekannt gewordenen Informationen seien als geheim eingestuft.

Trump bekräftigte damit seine Position vom Montag, ging aber nicht direkt darauf ein, ob Boltons Vorwürfe stimmen oder nicht. Dem "Wall Street Journal" gegenüber bezeichnete er Bolton als "Lügner", den jeder im Weißen Haus gehasst habe. Auf die Vorwürfe bezüglich China reagierte Trump indirekt, indem er sagte, dass niemand härter gegenüber China und auch Russland auftrete als er.

Der Handelsbeauftragte der US-Regierung, Robert Lighthizer, wies Boltons Behauptungen über Trump und Xi als "völlig verrückt" zurück. "Ich kann mich nicht erinnern, dass das jemals passiert ist. Ich glaube nicht, dass es wahr ist", sagte er in einer Senatsanhörung.

Geografische Unsicherheiten

Bolton, der als Sicherheitsberater eng mit dem Präsidenten zusammengearbeitet hatte, warf Trump auch vor, seine Außenpolitik häufig auf Bauchgefühl und Unwissenheit aufzubauen. So habe der Präsident nicht gewusst, dass Großbritannien eine Atommacht ist, und einmal auch gefragt, ob Finnland zu Russland gehöre, wird Bolton in der "New York Times" zitiert. Es sei klar gewesen, dass Trumps persönliche Diplomatie mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un nie zu einem befriedigenden Ergebnis führen würde. Zudem soll Trump einen Nato-Austritt ernsthaft erwogen haben.

Selbst engste Berater hätten sich lustig über ihn gemacht, etwa auch Außenminister Mike Pompeo. Während eines Treffens Trumps mit Kim im Jahr 2018 habe Pompeo Bolton einen Zettel zugeschoben, auf dem stand: "Er redet so viel Mist."

Auch Ukraine-Affäre Thema

Bolton dürfte in dem Buch auch auf die Ukraine-Affäre eingehen, wegen der ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump geführt worden war. Die oppositionellen Demokraten wollten Bolton während des Impeachment-Prozesses im Senat als Zeugen vorladen, scheiterten damit aber an der Mehrheit von Trumps Republikanern.

Der Senat sprach Trump schließlich vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs in der Ukraine-Affäre frei. Dabei ging es um von Trump auf Kiew ausgeübten Druck, um dort Korruptionsermittlungen gegen seinen demokratischen Präsidentschaftsrivalen Joe Biden und dessen Sohn zu erreichen.

Rechtliche Schritte eingeleitet

Die US-Regierung hatte am Dienstag eine Klage gegen die Veröffentlichung von Boltons Buch eingereicht. Am Mittwoch beantragte das US-Justizministerium bei Gericht, die Veröffentlichung per einstweiliger Verfügung zu stoppen. Die Regierung argumentiert, Bolton wolle sein Buch herausbringen, ohne dass die Überprüfung des Werkes auf nicht für die Veröffentlichung zulässige Regierungsinformationen abgeschlossen sei.

Trump hatte Bolton im September nach knapp eineinhalb Jahren als Sicherheitsberater entlassen. Die beiden waren bei einer Reihe von Themen über Kreuz gelegen, etwa beim Umgang mit Nordkorea. Bolton kündigte bereits damals an, er werde zu gegebener Zeit seine Sicht der Dinge darlegen. Er hatte sich allerdings Anfang des Jahres geweigert, im Amtsenthebungsverfahren vor dem Repräsentantenhaus ohne Vorladung unter Strafandrohung auszusagen. Kritiker werfen ihm daher vor, scheinheilig zu agieren und nur möglichst viel Profit aus seinem Buch schlagen zu wollen.

Trump "süchtig nach Chaos"

Das Werk mit dem Titel "The Room Where It Happened" (Der Raum, in dem es geschah) sollte ursprünglich im März erscheinen, die Veröffentlichung wurde aber vom Weißen Haus gestoppt. Nun sollte es eigentlich am Dienstag herauskommen. Bolton wollte sich auch am Sonntag in einem ausführlichen Fernsehinterview dazu äußern. In der Klage vom Dienstag heißt es, Bolton habe vom Verlag rund zwei Millionen Dollar (1,8 Millionen Euro) erhalten. Nach Angaben des Verlags zeichnet das Buch das Bild eines Präsidenten, der "süchtig nach Chaos" ist. Trump sei es immer nur um seine Wiederwahl gegangen.

Bolton selbst umstritten

Dabei ist Bolton selbst sehr umstritten. Kritisiert wird an der Buchveröffentlichung vor allem, dass Bolton zwar im Impeachment-Verfahren nicht ausgesagt hatte, jetzt aber das Buch veröffentliche.

Selbst gilt Bolton als "Falke". Er forderte eine härtere Haltung gegenüber Staaten wie Nordkorea und Russland und soll auch einen Militärschlag gegen Nordkorea empfohlen haben. "Wenn ich auf ihn gehört hätte, wären wir jetzt im sechsten Weltkrieg", twitterte Trump im Jänner.

Bolton war auch schon in den Regierungen der US-Präsidenten Ronald Reagan und George Bush in verschiedenen Funktionen tätig. Zudem war er US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, wo er gegen multilaterale Organisationen auftrat. (APA, AFP, dpa, red, 18.6.2020)