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Kohlekraftwerke, Raffinerien und andere CO2-emittierende Industrien profitierten direkt oder indirekt ebenfalls von den Milliarden-Hilfspaketen, die von Regierungen in Europa und der EU-Kommission zur Überwindung der Coronakrise geschnürt werden, kritisiert Greenpeace.

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Auf rund vier Billionen Euro summieren sich die Hilfspakete, die von der EU-Kommission und einzelnen Staaten in Europa zur Bewältigung der Corona-Pandemie geschnürt worden sind. Das ist eine Zahl mit zwölf Nullen – unvorstellbar viel Geld. Richtig dosiert könnte damit auch unvorstellbar viel Gutes bewirkt werden, meint Greenpeace.

Eine erste Bewertung der geplanten und zum Teil bereits in Umsetzung befindlichen Maßnahmen lässt die Umweltorganisation aber zweifeln. Vertreter fossiler Industrien hätten mittels entsprechender Lobbyingarbeit erreicht, dass ein Geldregen auch über Unternehmen niedergeht, die Umwelt und Klima schädigen. Dieser Verdacht dränge sich bei Durchsicht der einzelnen Maßnahmen auf, heißt es in einem dem STANDARD vorliegenden Bericht, den Greenpeace am Donnerstag veröffentlicht hat.

Verschärfung der Klimakrise

Bei der Reaktion auf den Wirtschaftsabsturz infolge von Corona müsse gesichert sein, dass nicht eine andere Krise, die durch das Virus etwas in den Hintergrund getreten ist, verschärft wird, die Erderhitzung. Die Umweltorganisation appelliert eindringlich an die EU-Staats- und -Regierungschefs, korrigierend einzugreifen, damit der CO2-Ausstoß der alten Industrien nicht auf unbestimmte Zeit prolongiert wird.

Als warnendes, nicht nachzumachendes Beispiel sei die globale Finanzkrise 2007/08 zu nennen. Die damals getätigten öffentlichen Ausgaben in Form diverser Hilfspakete gingen einher mit einem enormen Anstieg der Emissionen im darauffolgenden Jahrzehnt. Bei dem heute, Freitag, beginnenden EU-Gipfel soll das von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem französischen Vis-à-vis Emmanuel Macron vorgeschlagene 750-Milliarden-Wiederaufbauprogramm für die Union beschlossen werden.

Aggressives Lobbing

Als Beispiele für aggressiven Lobbyismus verweist Greenpeace auf europäische Autohersteller, Ölgesellschaften inklusive der heimischen OMV sowie Teile der deutschen und italienischen Industrie, die sich dadurch "einen unfairen Anteil an den Hilfsmaßnahmen" sicherten.

Nicht ausgenommen von der Kritik ist die Europäische Zentralbank. Zwischen Mitte März und Mitte Mai habe die EZB als Stützungsmaßnahme in der Corona-Krise Unternehmensanleihen im Wert von 46 Milliarden Euro aufgekauft. Mindestens 7,0 Milliarden seien allein für Anleihen von Öl- und Gaskonzernen wie Shell, Total, Eni, Repsol und OMV aufgewendet worden. Damit habe die EZB schätzungsweise 11,2 Millionen Tonnen CO2-Emissionen mitfinanziert.

Hilfe an Umweltschutzkriterien koppeln

"Obwohl 19 nationale Regierungen in der EU, darunter Österreich, einen grünen Wiederaufbau nach der Corona-Krise öffentlich unterstützen, stecken sie weiterhin öffentliche Gelder in fossile Industrien – und zwar in massiven Mengen. So sind etwa mehr als 33 Milliarden Euro bereits in die Flugindustrie gegangen, beispielsweise auch an die AUA", sagte Adam Pawloff, Klimaexperte bei Greenpeace in Österreich, dem STANDARD.

Umso wichtiger sei es, dass sich die Staats- und Regierungschefs beim derzeit stattfindenden EU-Rat dazu verpflichteten, "das Geld, das jetzt investiert wird, an Umwelt- und Klimaschutzkriterien zu binden, damit wir nicht sehenden Auges in die nächste Krise laufen – die Klimakrise". (Günther Strobl, 19.6.2020)