Die US-Regierung mag die Veröffentlichung der Memoiren von John Bolton aus seiner Zeit als Sicherheitsberater bekämpfen – die ersten explosiven Auszüge sind aber bereits in der Welt. Das Bild, das Bolton von Donald Trump darin zeichnet, ist eines, das bereits aus diversen Schilderungen bekannt ist: Amerikas Präsident weist demnach einen überaus ausgeprägten Hang zu korruptem Verhalten, eine Vorliebe für Diktatoren, ein erschreckendes grundlegendes weltpolitisches Unwissen und einen Mangel an Impulskontrolle aus. Überraschend mag das nicht sein, verstörend bleibt es allemal.

Boltons Beschreibungen unterstreichen den Eindruck, dass es überaus schlecht bestellt ist um die Außenpolitik der Vereinigten Staaten. Allein Donald Trumps Defizit an geografischen und weltpolitischen Kenntnissen stellt ein gravierendes Problem dar. Wer die Geschicke des mächtigsten Landes der Welt lenkt, sollte wissen, ob Großbritannien eine Atommacht, Finnland ein Teil Russlands und Venezuela in irgendeiner Form den USA zugehörig ist. Wenn der Präsident Sanktionen gegen Nordkorea wie von Bolton behauptet nur deshalb außer Kraft setzt, weil er dessen Machthaber ein Geschenk machen möchte, stellt er seine persönlichen Interessen klar über jene seines Landes.

John Bolton hat Memoiren über seine Zeit als Sicherheitsberater der US-Regierung veröffentlicht.
Foto: EPA/TATYANA ZENKOVICH

Bolton zählt gleich mehrere Vorfälle auf, die die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens legitimieren. Ihm zufolge hat Trump in mehrere Strafverfahren eingegriffen und Handelsgespräche mit seinen persönlichen Geschäftsinteressen verbunden. Besonders empfindlich trifft Trump allen voran eine Anschuldigung: Bolton beschreibt, wie Trump mit seinem chinesischen Kollegen Xi Jinping über den Aufkauf von Landwirtschaftsprodukten verhandelt habe, um sich die Stimmen der heimischen Weizen- und Sojabohnenbauern zu sichern. Das ist auch deshalb ein gravierender Vorwurf, weil Trump den Umgang mit der Regierung in Peking zum wichtigsten Wahlkampfthema bestimmt hat. Dass "niemand härter mit China umgeht" als er, wie Trump gerne von sich behauptet, dürfte ihm nun nicht mehr allzu leicht über die Lippen gehen.

Konservativer Falke

Boltons Vorwürfe erhalten durch dessen einstige Nähe zu Trump durchaus Gewicht. Über 17 Monate war der akribische Notizenschreiber schließlich an dessen Seite im titelgebenden "Raum, in dem es geschah", zugegen.

Gegen seine Glaubwürdigkeit aber spricht, dass der konservative Falke und der isolationistische Präsident bei so vielen Themen über Kreuz lagen, dass selbst ihre Trennung nicht einvernehmlich verlief. Bis heute behauptet Trump, Bolton gefeuert zu haben, während Bolton sagt, aus freien Stücken gegangen zu sein. Nicht nur deshalb wirken seine Ausführungen wie eine Abrechnung mit dem gehassten Ex-Chef. Wenn Bolton tatsächlich die Sorge um sein Land antreibt, dann hätte er genug Chancen gehabt, diese kundzutun.

Als ihn die Demokraten als Zeuge im Amtsenthebungsverfahren wegen der Ukraine-Affäre vorluden, verweigerte er jedoch die Aussage. Dabei bestätigt er nun die Vorwürfe: Dass Trump Militärhilfe für Kiew von Ermittlungen gegen Joe Bidens Sohn abhängig gemacht habe, habe ihm dieser so explizit gesagt. Hätte Bolton dies damals unter Eid vorgetragen, hätte es mehr Wirkung gehabt – und er selbst stünde nicht im Verdacht, es für ein Buchhonorar von zwei Millionen Dollar aufgehoben zu haben. (Anna Giulia Fink, 18.6.2020)