Sicher ist sicher: Treffen der vier Visegrád-Regierungschefs mit Masken.

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Videokonferenzen mögen sich zuletzt auch in der Politik bewährt haben – als Plattform mit einer gewissen Außenwirkung aber sind sie denkbar ungeeignet. Die Premierminister der vier Visegrád-Staaten Tschechien, Slowakei, Polen und Ungarn hatten das wohl sehr genau im Blick, als sie sich Ende vergangener Woche im südmährischen Lednice höchstpersönlich trafen, um vor dem für heute, Freitag, geplanten EU-Gipfel ihre Positionen zum Corona-Wiederaufbauplan abzustecken.

Wie so oft nämlich gilt auch diesmal: Die V4, allesamt ehemals kommunistische Staaten, die 2004 der EU beigetreten sind, haben großes Interesse daran, ihre Kräfte zu bündeln und nach außen hin gemeinsam aufzutreten. Auf diese Art wollen sie einen Machtfaktor im komplizierten Gefüge der Europäischen Union darstellen, den auch die älteren und häufig reicheren Mitglieder nicht einfach ignorieren können.

Vorbehalte aus Prag und Budapest

Auch diesmal aber steckt der Teufel im Detail. Die V4 nämlich haben durchaus unterschiedliche Interessen, die sich nicht immer so leicht unter einen Hut bringen lassen. Tschechien und Ungarn etwa hatten sich zunächst eher skeptisch zum Vorschlag der EU-Kommission geäußert, der ein Paket von 750 Milliarden Euro vorsieht, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zu bekämpfen. Der tschechische Premier Andrej Babiš zum Beispiel beklagte die seiner Meinung nach ungerechte Verteilung der Mittel sowie die drohende Vergemeinschaftung von Schulden.

Polen und die Slowakei hingegen hatten sich von Anfang an zufriedener gezeigt. Polen darf mit Zahlungen von etwa 64 Milliarden Euro rechnen und würde damit – nach Italien und Spanien – das drittgrößte Stück vom Kuchen abbekommen. Auch in Bratislava ist man mit den Parametern für die Zuteilung der Gelder nicht unglücklich.

Umstrittene Kriterien

Genau in diesem Punkt gibt es aber weiter Ungereimtheiten. "Beim Kriterium Arbeitslosigkeit unterscheiden wir uns", räumte etwa Babiš ein. Kein Wunder: Tschechien hat hier den niedrigsten Wert in der EU. Dass sogar die Einbeziehung der Arbeitslosigkeit aus den letzten Jahren vor der Corona-Krise auf dem Tapet ist, bezeichnet Babiš als "absurd". Er wünscht sich als Hauptkriterium den jeweiligen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts. Auch die Fristen für den Bezug der Mittel sind nicht überall gleich wichtig. Hier will vor allem die Slowakei, die mit dem Abgreifen von EU-Fonds strukturelle Probleme hat, mehr Zeit.

Gemeinsam wollen die V4 jedenfalls für eine "faire Aufteilung" sowie für Flexibilität bei der Verwendung der Gelder eintreten. Ob die Gruppe dadurch schon zu "einer der vordersten Kräfte wird, die die Richtung weisen", wie es Polens Premier Mateusz Morawiecki formulierte, darf bezweifelt werden. Doch im Schatten der Debatte zwischen den krisengeschüttelten Südländern und den Sparsamen Vier, zu denen Österreich gehört, könnten die Visegrád-Vier durchaus Akzente setzen. Zumindest dort, wo sie tatsächlich an einem Strang ziehen. (Gerald Schubert, 19.6.2020)