Die deutsche Funke-Mediengruppe hat auf Ausschluss ihrer Mitgesellschafter aus der "Krone" geklagt. Das bestätigt die Funke-Gruppe dem "Handelsblatt". Die Klage wurde nach STANDARD-Infos schon im März 2020 eingebracht. Die "Kronen Zeitung" ist die weitaus größte Tageszeitung Österreichs, rund 27 Prozent der Österrreicherinnen und Österreicher geben an, sie täglich zu lesen. In einem Parallelverfahren vor dem Kartellgericht traf unterdessen der Oberste Gerichtshof (OGH) eine Grundsatzentscheidung – dass Kartellbehörden für die zentrale Frage darin nicht zuständig seien.

Dichand-Anwältin: "Reiner Verzweiflungsakt"

Dichand-Anwältin Huberta Gheneff kommentierte die Klage auf STANDARD-Anfrage knapp, aber scharf: "Sie muss als reiner Verzweiflungsakt gewertet werden, die Klage wurde verfrüht vor den jüngsten Klarstellungen des Schiedsgerichts eingereicht, noch dazu vor einem unzuständigen Gericht." Das Schiedsgericht bestätigte inzwischen die Positionen der Dichands im Gesellschafterstreit mit der Funke-Gruppe und ihrem Partner, dem Immobilienmilliardär René Benko. Das Handelsgericht sei "unzuständig", weil laut Gesellschaftsverträgen ein Schiedsgericht für solche Streitfragen zuständig sei.

Klagen auf Ausschluss aus einer Gesellschaft sind letztes Mittel in Streitigkeiten von Gesellschaftern. Sie können etwa mit nachhaltig gesellschaftsschädigendem Verhalten erklärt werden. Zuletzt kündigte die Familie Dichand 2019 eine solche Klage gegen die Funke-Gruppe an, als diese versuchte, mit Anträgen in der Gesellschafterversammlung die Entlassung von Christoph Dichand als Herausgeber und Chefredakteur zu erreichen. Auch darüber laufen Verfahren vor dem Wiener Handelsgericht. Eine Ausschlussklage aber ist ein juristisch schwieriges Unterfangen. Es braucht dafür einen oder mehrere sogenannte "wichtige Gründe" – grob vergleichbar etwa einer Entlassung im Arbeitsrecht.

Die erste Verhandlung über die Ausschlussklage der Funke-Gruppe ist laut "Handelsblatt" für 26. August vor dem Wiener Handelsgericht geplant.

Seit zwei Jahrzehnten Gegenstand erbitterten Gesellschafterstreits: die "Krone", hier ihr Verlagsgebäude in Wien-Heiligenstadt.
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50:50 zwischen Funke/Benko und Dichands

Die Funke-Gruppe hält zusammen mit Benko 50 Prozent an der "Kronen Zeitung", die Familie des Gründers Hans Dichand die übrigen 50 Prozent. Funke und Dichands streiten seit Anfang der 2000er-Jahre um die Aufteilung der Gewinne aus der "Krone" und das Sagen bei Österreichs größtem Kleinformat.

Vor wenigen Wochen entschied das inzwischen zehnte Schiedsgericht in diesem Gesellschafterstreit im Sinne der Dichands. Die Funke-Gruppe hatte neuerlich jene Verträge mit den Dichands gekündigt, die den österreichischen Gesellschaftern weitreichende Vorrechte garantieren. Sie sichern der Gründerfamilie einen hohen einstelligen Millionenbetrag als Garantiegewinn zu, unabhängig vom Geschäftsgang und nötigenfalls von den Mitgesellschaftern zu überweisen. Auch bei Personal und Redaktion haben die Dichands das Sagen.

Schiedsgericht lehnte Funke-Kündigung ab

Das Schiedsgericht lehnte die Kündigung ab. Sie sei mit den gesamten "Krone"-Gesellschaftsverträgen aufzukündigen. Und wer das tut, muss seine Anteile dem Mitgesellschafter zum günstigen Buchwert verkaufen.

Komplettübernahme der "Krone"

Immobilien- und Handelstycoon Benko stieg Ende 2018 zur Überraschung der Dichands bei der Funke-Holding für deren Österreich-Anteile an der "Krone" und an deren Mediaprintpartner "Kurier" ein. Zunächst mit 49 Prozent, aber einer Option auf die vollen 50 beziehungsweise knapp 50 Prozent an den österreichischen Tageszeitungen. Bedingung für die Komplettübernahme – und die zweite Hälfte von kolportierten rund 160 Millionen Euro Kaufpreis dafür – war ein Ende der Vorrechte der Dichands. Das Schiedsgericht entschied anders, die Dichands waren bisher nicht bereit zur Neuverhandlung ihrer Vorrechte.

Entlassung Dichands beantragt

2019 versuchte die Funke-Gruppe, Christoph Dichand als Herausgeber und Chefredakteur der "Kronen Zeitung" abzusetzen und zu entlassen, erklärt mit Spesenvorwürfen. Der Antrag scheiterte im Frühjahr an der 50:50-Pattstellung.

Die Funke-Gruppe focht die Abstimmungen daraufhin beim Handelsgericht an: Sie habe die Mehrheit der Stimmrechte, weil die Dichand-Anteile durch Vererbung auf vier Familienmitglieder Stimmrechte verloren hätten. Stimmrechte würden laut Gesellschaftsvertrag nur nach vollen Anteilssprozenten berechnet, die Dichands hielten nun aber viermal 12,5 Prozent. Für die je 0,5 Prozent gebe es keine Stimmrechte, die Gründerfamilie habe also nur noch viermal zwölf, also 48 Prozent.

Alleinige Kontrolle über die "Krone" angemeldet

Mit derselben Argumentation meldete die Funke-Gruppe um den Jahreswechsel 2019/2020 bei den Kartellbehörden die alleinige Kontrolle über die "Krone" an, sie habe mit ihren 50 Prozent gegen 48 der Dichands nun die bestimmende Mehrheit. Funke erklärte, die deutsche Kartellbehörde habe diese Meldung abgenickt. Die österreichische Bundeswettbewerbsbehörde schloss sich der Argumentation nicht an und legte die Meldung zur Klärung dem Kartellgericht vor.

  • Update: Oberster Gerichtshof: Kartellgerichte nicht zuständig

In diesem Kartellverfahren hat der Oberste Gerichtshof inzwischen eine Grundsatzentscheidung getroffen: Familie Dichand beantragte Parteistellung in dem Kartellverfahren, weil sie ja von der Grundsatzfrage wesentlich betroffen sei, ob sie durch die Aufteilung der "Krone"-Familienanteile Stimmrechte verloren habe, mit dem die Funke-Gruppe ihren Kontrollanspruch begründet.

Nach dem Kartellgericht hat auch der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht diesen Antrag der Familie Dichand abgelehnt. Aber er hat in der Entscheidung vom 29. Mai 2020 (160k2/20k) zur Begründung der Abweisung auch grundsätzlich festgehalten, wofür Kartellbehörden und -gerichte nicht zuständig sind: zu prüfen, ob etwa der Kauf oder die Übernahme von Anteilen gültig und wirksam sind, die zu einer kartellrechtlichen Beherrschung geführt haben sollen.

Im O-Ton des OGH: "Geprüft wird vom Kartellgericht im Rahmen des Zusammenschlusskontrollverfahrens, ob eine marktbeherrschende Stellung entstehen oder verstärkt werden kann (§ 12 Abs 1 Z 2 KartG). Keine Aufgabe des Zusammenschlusskontrollverfahrens ist es dagegen, über die Wirksamkeit oder Gültigkeit von Erwerbsvorgängen im Sinne des Kartellrechts abzusprechen. Soweit ein angemeldeter Erwerbsvorgang deshalb als 'hypothetisch' einzustufen ist, ist seine Anmeldung unzulässig; soweit dies nicht der Fall ist, wird mit der Entscheidung des Kartellgerichts nicht über die Frage der Wirksamkeit und Gültigkeit der ihm zugrundeliegenden Vorgänge abgesprochen, und zwar auch nicht als Vorfrage, sondern es werden lediglich die Auswirkungen des Erwerbsvorgangs auf den betroffenen Markt aus wettbewerbsrechtlicher Sicht beurteilt."

Neues Kampffeld: Ausschlussverfahren

Nun geht die jahrzehntelange, erbitterte Auseinandersetzungen mit der Ausschlussklage in ihre nächste Eskalationsstufe. Jede Entscheidung des Handelsgerichts dürfte vor allen möglichen weiteren Instanzen angefochten werden. Das neue Verfahren dürfte damit noch eine Weile dauern – bis zu einer rechtskräftigen, endgültigen Entscheidung.

  • Update: Juristischer Ausnahmefall

Nach STANDARD-Infos soll die Ausschlussklage thematisch an die Stimmrechts-Frage anschließen. Kolportiert, aber vorerst nicht bestätigt: Anknüpfungspunkt soll Paragraf 80 des GesmbH-Gesetzes sein, eher ein juristischer Ausnahmefall. Gehört ein Geschäftsanteil an einer GesmbH mehreren "Mitberechtigten, so können sie ihre Rechte daraus nur gemeinschaftlich ausüben. Für Leistungen, die auf den Geschäftsanteil zu bewirken sind, haften sie zur ungeteilten Hand." Rechtshandlungen gegenüber einem dieser "Mitberechtigten" würden für alle anderen gleichermaßen gelten. Die Dichands sollen das auf ihre Anteile an der "Krone" beziehen, sagen Menschen mit Einblick in die Materie. In diesem Fall würde aus den Anteilseignern praktisch automatisch eine gemeinsame Gesellschaft nach bürgerlichem Recht. Die Dichands wollten diesen Status auch im Firmenbuch eingetragen wissen. Darauf soll die Funke-Gruppe in ihrer Ausschlussklage Bezug nehmen, kolportiert als "wichtiger Grund" für einen Ausschluss.

Dieser Artikel wird laufend ergänzt. (fid, 19.6.2020)