"The Politician": Judith Light als Dede Standish und Bette Middler als Hadassah Gold.

Foto: Netflix

"The Politician" war die erste schillernde Serie, die der umtriebige Ryan Murphy ("American Horror Story") für Netflix geschaffen hat. Die 2. Staffel bietet nun einen Konflikt der Generationen um den Klimawandel und einen noch schärferen Einblick in das, was es braucht, um ein Politiker zu sein (Spoiler Alert: es sind Schmierkampagnen). In einer Nebenrolle strahlt die fabelhafte Bette Midler.

Die 1. Staffel von "The Politician" spielte sich wie eine jugendliche, bonbonfarbene Neuinterpretation einer anderen Netflix-Serie ab, "House of Cards", aber sie spielte an einer elitären Highschool in Kalifornien. Payton Hobart (Musicalsänger Ben Platt) kandidierte für das Amt des Schulpräsidenten, weil es Teil seines Masterplans war, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden. Dazu war ihm jedes Mittel recht: Lügen, Verrat, vielleicht sogar Mord.

Am Ende der Staffel tauchte schlagartig die wunderbare Bette Midler auf, und die Schauspielerin stiehlt in der Fortsetzung fast allen die Show. Ihr Blick wenn sie "würziges Gleitgel" für sich entdeckt, ist unbezahlbar. Sie spielt die sprudelnde Hadassah Gold, die weit mehr politische Erfahrung als die Jungspunde hat. Sie ist Kampagnenmanagerin eines neuen Wahlkampfs, den Payton gemeinsam mit seinem Beraterteam (Laura Dreyfuss, Theo Germaine, Rahne Jones) und seiner First Lady in spe (Julia Schlaepfer) gegen die Politikerin Dede Standish (eine bezaubernde Judith Light) um einen Sitz im Senat von New York gewinnen will. Er sieht es als den nächsten Schritt auf seinem Weg ins Weiße Haus.

Das Wunder der zweiten Staffel

Die "Alten" würden sich nicht um den Planeten kümmern, sagt er vor einer Menge aufbrausender Hipster. Auf einer Bühne in Brooklyn hält er eine flammende Rede über den Klimawandel. Um seine Überzeugung für den Umweltschutz zu untermauern, stellt er sich in einer Episode unter eine kalte Dusche und trinkt dann das Restwasser. Er will Plastik verbannen und Veganer werden – nur teilweise aus innerer Überzeugung, vor allem ist es halt ein aktuelles Thema, das die jungen Wähler und Wählerinnen attraktiv finden. Unterdessen kandidiert seine philanthropische Adoptivmutter Georgina (Gwyneth Paltrow) für das Gouverneursamt in Kalifornien und steht ihrem Sohn in nichts nach.

In den sieben Folgen der neuen Staffel ist den politischen Kontrahenten wieder jedes Mittel recht: Hadassah versucht, Astrid (Lucy Boynton) als Spionin gegen Payton zu rekrutieren und Payton mit einem kompromittierenden Foto zu erpressen, während Paytons Team ihn drängt, Dedes Büro zu verwanzen, um ihrer Dreierbeziehung mit zwei Männern zu entlarven.

Die jungen Darsteller sind alle durch die Bank großartig, aber nur über die Frauen erklärt sich das Wunder, das sich in der 2. Staffel ereignet. Bette Midler, Judith Light und Gwyneth Paltrow sind nicht nur selbstbewusst in ihrer Sexualität, sondern auch in ihrer Politik – und urkomisch obendrein.

300-Million-Dollar-Deal

"The Politician" ist Teil eines 300 Millionen-Dollar-Deals, den Ryan Murphy mit Netflix abgeschlossen hat. In gewisser Weise ist es der Höhepunkt dessen, woran der Superproduzent von Serien wie "American Horror Story", "Glee" und "American Crime Story" als schwuler Mann während seiner gesamten Karriere gearbeitet hat. Er versucht, ein möglichst breites Publikum zu erreichen, ohne soziale Themen zu unterdrücken, für die Hollywood lange zu scheu war, sie anzugehen. Gemeinsam mit Brad Falchuk und Ian Brennan malt er das Porträt einer queeren, grausamen, idealistischen Jugend, die wir selbst geschaffen haben.

Trotz all der politischen Statements innerhalb der Dramedy-Serie, zielt Murphy nie direkt auf die aktuelle politische Lage in den USA und Donald Trump ab. Er ist viel smarter und subtiler. Im Vorspann gibt es ein kleines Easter Egg, das seine Haltung zeigt: Während die Kamera Paytons Biografien im Bücherregal überfliegt, sieht der Zuseher die Titel der vergangenen fünf Präsidenten: Ronald Reagan, Bill Clinton, George W. Bush, Barack Obama und "Idiots Guide to Clowning". Irgendwie selbsterklärend. (APA, 19.6.2020)